Indonesien-Information Nr. 2 2003 (Demokratie)

 

Ausländische Korrespondenten sollen

draußen bleiben

von Sven Hansen


Regierung und Militär verhindern, dass ausländische Journalisten aus Aceh berichten. Einheimische Medien drohen zwischen die Fronten zu geraten


Offiziell gibt kein Verantwortlicher in Jakarta zu, dass Aceh für ausländische Journalisten gesperrt ist. In der für Korrespondenten zuständigen Abteilung im Außenministerium wird jedoch kein Hehl daraus gemacht, dass ausländischen Journalisten zur Zeit der Zugang nach Aceh verwehrt wird. „Wir haben seit dem 18. Juni keine Genehmigung mehr erteilt,“ heißt es. Zuvor hätten rund 40 in Jakarta lebende ausländische Korrespondenten Genehmigungen bekommen. Wer jedoch nach dem 19. Mai, als in Aceh das Kriegsrecht ausgerufen wurde und die jüngste Militäroffensive gegen die „Bewegung Freies Aceh“ (GAM) begann, eigens aus dem Ausland zur Kriegsberichterstattung anreisen wollte, bekam von vornherein keine Genehmigung. Bei Missachtung drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Als sich Berichte aus Aceh über zivile Opfer und von Vertreibungen häuften und dort gar deutsche Touristen Opfer des Militärs wurden, erließ Präsidentin Megawati Sukarnoputri das Dekret 43/2003 und Acehs oberster Militärverwalter Endang Suwarya die Dekrete 05 und 06. Sie sperren Aceh nicht nur generell für Ausländer, sondern erschweren dort die Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten und schränken die Möglichkeiten zur unabhängigen Berichterstattung weiter ein. Da das Außenministerium bisher keine Ausführungs-bestimmungen für die Dekrete erhielt, sieht es sich zur Zeit nicht in der Lage, überhaupt Genehmigungen auszustellen. Zwar hieß es auf Nachfrage Anfang Juli, dies könne in vielleicht einer Woche der Fall sein. Doch diese Antwort hören Korrespondenten schon länger.

„Viele unserer Mitglieder haben schon aus zahlreichen Konfliktgebieten dieser Welt berichtet und empfinden die Beschränkungen in Aceh als mit die restriktivsten, denen sie je begegnet sind,“ heißt es in einem Protestbrief des Jakarta Foreign Correspondents’ Club (JFCC) an die Regierung. Künftig werden Korrespondenten, so sie denn Genehmigungen bekommen, nur aus Acehs größeren Städten berichten dürfen. Fahrten aufs Land, wo der Krieg hauptsächlich stattfindet, sind nur mit Erlaubnis des Militärs sowie mit militärischer Begleitung gestattet. Das verhindert spontane Recherchen, offene Gespräche mit der Zivilbevölkerung sowie Kontakte zu den etwa 5.000 Rebellen.

Für eigens zur Kriegsberichterstattung aus dem Ausland anreisende Journalisten bleibt die Provinz mit 4,5 Millionen Einwohnern auch weiter gesperrt. Indonesische Journalisten dürfen dort jetzt offiziell nicht mehr für internationale Medien arbeiten. Und Acehs Nichtregierungsorganisationen wurde verboten, mit ausländischen Journalisten zu sprechen oder sich durch internationale Organisationen vertreten zu lassen.

Bisher haben Acehs Militärbehörden drei ausländische Berichterstatter – zwei Malaysier und einen Japaner – aus der Provinz verwiesen – offiziell wegen Visavergehen. Doch die Militärs erzürnte vor allem der 46-jährige US-Journalist William Nessen, der zuletzt für den San Francisco Chronicle und den Sydney Morning Herald schrieb. Er war als einziger Journalist mit den Rebellen unterwegs. Das hätte ein Gegengewicht zu den inzwischen hundert indonesischen Reportern gebildet, die bei den an der Offensive beteiligte 40.000 Soldaten und Polizisten abwechselnd „eingebettet“ sind und über deren Perspektive berichten.

Minister und Militärs brandmarkten Nessen als Spion und drohten ihm mit dem Tod. Der ließ zunächst ein Ultimatum zur Kapitulation verstreichen und verlangte Sicherheitsgarantien. Später stellte er sich und wurde inhaftiert. Nach seiner Verurteilung zu 40 Tagen Haft, die er bereits abgesessen hatte, wurde er ausgewiesen.

Das Vorgehen zeigt, wie verhindert werden soll, dass in dem Krieg überhaupt über die andere Konfliktpartei berichtet wird. Das Kriegsrecht verbietet, Stellungnahmen der GAM zu veröffentlichen oder ihre Führer zu interviewen. Da das Kriegsrecht aber nur in Aceh und nicht außerhalb gilt, können Journalisten zum Beispiel aus Jakarta die GAM-Führer telefonisch interviewen und dies außerhalb Acehs veröffentlichen. Doch Armeechef Endriartono Sutarto warnt: „Zitieren sie nicht GAMs Agitation. Sie könnte die Menschen verwirren, was die Wahrheit ist.“

Auffällig ist, wie konzeptionell unterschiedlich in- und ausländische Journalisten im Hinblick auf den Aceh-Konflikt behandelt werden. Nach dem Vorbild der Medienstrategie des Pentagons im Irakkrieg lädt Indonesiens Militär erstmals Journalisten ein, als „eingebettete“ Korrespondenten die Truppen direkt bei ihrer Offensive zu begleiten. Doch während das Pentagon auch ausländische Reporter bei seinen Truppen einquartierte, nimmt Indonesiens Militär nur einheimische. Die sind zum einen leichter zu kontrollieren, zum anderen soll dieses Vorgehen eine Internationalisierung des Konflikts verhindern, den Jakarta weiterhin als interne Angelegenheit sieht.

Wie das US-Verteidigungs-ministerium setzen auch die Verantwortlichen in Indonesien auf einen Verbrüderungseffekt der Journalisten mit den Soldaten, die auch ihre Beschützer sind. Voraus geht ein viertägiges Sicherheitstraining, das in einem Militärcamp in Westjava neben umstrittenen Schießübungen auch eine große Dosis Nationalismus enthält. Ohnehin werden die Journalisten von Militärs und Politikern aufgefordert, über den Konflikt im Interesse der Nation zu berichten, womit die Regierung gemeint ist.

„Der Vorteil der Einbettung ist, dass die Journalisten aus größerer Nähe berichten können“, meint Bondan Winarno, Chefredakteur von Jakartas Abendzeitung Suara Pembaruan. „Der Nachteil ist, dass sie sich verpflichtet fühlen könnten, die Armee in ihren Berichten zu bevorteilen.“ Er glaubt dennoch, dass sein Blatt mit zwei eingebetteten Korrespondenten über den Konflikt neutral berichtet.

Auch für Endy Bayuni, den stellvertretenden Chefredakteur der Jakarta Post, überwiegen nach siebenwöchiger Erfahrung mit seinen zwei eingebetteten Reportern die Vorteile. „Wir haben dadurch Zugänge, die wir sonst nicht hätten. So können unsere Journalisten mit auf Patrouille gehen. Es steht unsere Reportern ansonsten frei, ob sie an einem bestimmten Tag die Militärs begleiten wollen oder nicht.“ Problematisch seien aber die Gebiete, zu denen das Militär den Zugang verweigere, meist aus Sicherheitsgründen. Mit der Sicherheit werden auch die verschärften Restriktionen gegenüber den ausländischen Korrespondenten begründet.

Die Sicherheit ist ein ernstes Problem. Aber ob sie wirklich immer ausschlaggebend ist, sei laut Bayuni zu bezweifeln. Bisher wurde der Kameramann Muhammad Jamal des staatlichen Senders TVRI getötet. Er war einen Tag nach Beginn der Militäroffensive von Unbekannten entführt worden und wurde Mitte Juni tot aufgefunden. Journalisten in Jakarta vermuten die GAM hinter der Tat, doch Beweise gibt es bisher nicht.

GAM hält den Reporter Ersa Siregar und Kameramann Ferry Santoro des Privatsenders RCTI sowie ihren Fahrer und zwei Begleiterinnen gefangen. Sie sollen Ehefrauen hoher Offiziere sein, weshalb GAM die Geiselnahme mit Spionage begründet. Ein Rebellensprecher warf dem Militär zudem vor, wiederholt Spione als Journalisten zu tarnen. Das Militär bestreitet das. In Aceh wurden bisher mehrere Journalisten von Unbekannten beschossen, ohne dass jemand zu Schaden kam. Ein Reporter des Radiosenders 68-H wurde von Soldaten verprügelt, die in ein Dorf eindrangen, in dem er gerade Interviews machte.

Beschießen und Verprügeln von Journalisten sind Methoden der Einschüchterung. Dies geschieht auch durch Gerichtsklagen oder deren Androhung. So kündigte Militärsprecher General Sjafrie Sjamsoeddin in Jakarta an, die Tageszeitung Koran Tempo zu verklagen, weil diese über die Erschießung von zehn Zivilisten in Aceh durch das Militär berichtet habe. Laut Sjamsoeddin seien dies aber keine Zivilisten gewesen, sondern Informanten der GAM, die nicht auf Warnschüsse reagiert hätten.

Viele der neuen Restriktionen dürften mit der Sicherheit der Journalisten wenig, mit Informationskontrolle und der Einschränkung unliebsamer ausländischer Berichterstattung dagegen viel zu tun haben. Regierung und Militär haben den Krieg wochenlang vorbereitet. Wenn sie jetzt nach nur wenigen Wochen die Arbeitsmöglichkeiten ausländischer Medien in Aceh drastisch einschränken, könnte dies auf einen Streit um die Medienpolitik des Militärs zurückzuführen sein. Journalisten stellen immer wieder fest, dass es Ansätze zu einer neuen, aufgeschlosseneren und intelligenteren Medienpolitik gibt und einzelne Verantwortliche wirklich Wert auf Transparenz legen. Dies werde allerdings immer wieder von in alten Mustern denkenden Verantwortlichen konterkariert, die sich jetzt wieder stärker durchgesetzt haben könnten.
Eine andere Interpretationsmöglichkeit wäre, dass die Offensive des Militärs nicht so erfolgreich ist wie geplant. Militärchef Sutarto räumte denn auch inzwischen ein, dass der Krieg nicht wie erhofft in sechs Monaten vorbei sei, sondern noch ein oder zwei Jahre, wenn nicht gar zehn dauern könne. Feiert das Militär keine Triumphe, sondern kämpft einen zähen und vielleicht schmutzigen Krieg, dann stören ausländische Journalisten.  Die Menschenrechtskommission Komnas HAM hat die Militäroffensive bereits als gescheitert bezeichnet und beide Konfliktparteien angesichts von bisher offiziell 48.000 Flüchtlingen aufgefordert, wieder Verhandlungen aufzunehmen. <>
 
 

Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage