Indonesien-Information Nr. 1, 1997 (Unruhen)

Krieg zwischen Transmigranten und Eingeborenen

Fünf Personen wurden getötet und neun verwundet sowie dutzende von Häusern niedergebrannt, als in Sanggau Ledo, West-Kalimantan, zum Jahreswechsel einheimische Dayaks mit Siedlern aus Madura zusammenstießen /Reuters, 6.1.97/. Nachdem scheinbar wieder Ruhe eingekehrt war, brach der Konflikt einige Zeit später erneut aus und hat inzwischen bürgerkriegsähnliche Formen angenommen. Die Regierung entsandte 3.000 Soldaten in die Unruheprovinz und verhängte Ausgangssperren. Einem Reporter der BBC gelang es, Filmaufnahmen von dem grauenhaften Geschehen zu machen, die vor kurzem über die Bildschirme flimmerten. Das Militär spricht inoffiziell von ca. 300 Toten. Doch Über das genaue Ausmaß des Schreckens kann zur Zeit nur gemutmaßt werden.

Niemand hätte gedacht, daß sich ausgerechnet im Dorf Sanggau Ledo eine blutige Tragödie wie diese ereignen könnte, schrieb die Tageszeitung Republika. Denn Sanggau Ledo gilt als reiches Dorf: auf 7.000 ha Ackerboden erntet die Bevölkerung dort täglich 50 Tonnen Mais, das ganze Jahr über. Sanggau Ledo wird deshalb das 'Maisdorf' genannt. Das Klima ist angenehm /Republika, 3.1.97/.

Wie so oft war ein scheinbar nichtiger Anlaß Auslöser der Unruhen. Es begann mit einer Hochzeitsfeier im Dorf Tanjung im Kecamatan (Unterbezirk) Ledo, Kabupaten (Bezirk) Sambas, dem Nachbardorf von Sanggau Ledo. Es wurde Dangdutmusik gespielt und die Hochzeitsgäste wurden zum Mittanzen aufgefordert. Eine junge Dayakfrau fühlte sich von sieben jugendlichen Maduresen belästigt, woraufhin sich ein heftiger Wortwechsel zwischen ihren Begleitern und den Maduresen ergab. Letztere zogen sich scheinbar zurück, tatsächlich aber lauerten sie der Dayakfrau und ihren drei männlichen Begleitern am Dorfeingang auf. Als die Dayaks nach Hause gehen wollten, wurden sie von den sieben Maduresen überfallen. Zwei der Dayaks wurden niedergestochen und mußten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Schnell verbreitete sich das Gerücht, die beiden seien gestorben.

Die Einwohner von Ledo, die wie die Opfer zum Volk der Dayak zählen, waren wütend und zogen gemeinsam zum 18 km entfernten Dorf Sanggau Ledo, das mehrheitlich von spontanen Transmigranten von der Insel Madura bewohnt wird. Vier Tage dauerte der Angriff der Dayak auf Sanggau Ledo, bei dem 248 Häuser niedergebrannt wurden /Republika, 3.1.97/. Die Unruhe griff auch auf die umliegenden Gebiete über. Dayaks im Kecamatan Bengkayang, 60 km von Sanggau Ledo, und im Kecamatan Samalantan, 100 km von Sanggau Ledo, gingen ebenfalls zum Angriff auf Maduresen über. Die schlimmsten Verwüstungen erlebte der Kecamatan Samalantan. Allein im Dorf Jirak wurden 372 Häuser von Maduresen niedergebrannt oder verwüstet. Der Regent von Sambas sah sich am 2. Januar gezwungen, eine nächtliche Ausgangssperre von 21.00 bis 04.00 Uhr zu verfügen /Republika, 3.1. u. 13.1.97/.

Fast 7.000 Personen aus den direkt betroffenen und den umliegenden Dörfern mußten nach Singkawang evakuiert werden, weitere 1.000 wurden in die Provinzhauptstadt Pontianak gebracht und 165 Bürger der Stadt Pontianak selbst wurden sicherheitshalber in anderen Städten einquartiert. Erst nach einer Woche war die Straße zwischen der Stadt Singkawang und Sanggau Ledo (130 Kilometer) wieder passierbar /Suara Merdeka, 7.1.97, Republika, 13.1.97/.

Doch die scheinbare Ruhe hielt nicht lange. Ende Januar drohte der Konflikt auf die Provinzhauptstadt Pontianak überzugreifen, in der viele Maduresen Zuflucht gesucht hatten. Am 31. Januar kam das Geschäftsleben entlang der Hauptstraßen und auf den Märkten Pontianaks fast zum Erliegen. Die Ladenbesitzer und Inhaber von Supermärkten schlossen ihre Geschäfte, nachdem sich Gerüchte verbreiteten, wonach der Stadt ein Rachefeldzug für Sanggau Ledobe vorstehe. Ohnehin war die Stadt in Aufregung, denn am Tag zuvor hatten 140 Fahrer von Sammeltaxen gegen ein neues Lizenzvergabesystem demonstriert. Am Abend des 28. Januar wurden an allen Zufahrten der Stadt Straßensperren errichtet, an denen die Armee LKW-Frachten und Busfahrgäste kontrollierte /Kompas, 1.2.97/.

Was genau seit Anfang Februar in der Provinz außerhalb der Hauptstadt Pontianak passierte, blieb zunächst im Dunkeln. Nur indirekte Indizien gaben Aufschluß über den Ernst der Lage. So schloß beispielsweise Malaysia sämtliche Grenzübergänge zwischen West-Kalimantan und der malaysischen Provinz Sarawak. Viele indonesische Gastarbeiter konnten daher zu Idul Fitri, dem Fest zum Ende des Fastenmonats Ramadhan, zu ihren Familien reisen, um mit ihnen gemeinsam zu feiern.

Wie es hieß, flohen hunderte Menschen aus ihren Häusern und suchten Zuflucht im Militärrevier von Singkawan. Zahlreiche Häuser wurden niedergebrannt. Das indonesische Militär verlegte 3.000 Einsatzkräfte in die Unruheprovinz, übte ansonsten aber Stillschweigen über die Lage vor Ort. In Singkawan, Sambas und Pontianak wurden nächtliche Ausgangssperren verhängt /Suara Pembaruan, 4.2.97, Media Indonesia, 5.2.97/. Erst Ende Januar gab das Militär inoffiziell zu, es habe etwa 300 Tote gegeben. Unabhängige Beobachter schätzen die Zahl der Opfer auf bis zu 2.000.

Der im Indonesischen mitdem Begriff SARA (suku, agama, ras dan antar golongan - ethnisch, religiös, rassistisch) beschriebene Konflikt ist in der Region bereits der vierte seiner Art. Bereits 1977, dann 1979 und zuletzt 1983 sind die beiden ethnischen Gruppen aneinandergeraten. Zwar wurden die Streitigkeiten jedesmal mit einem Friedensschluß beendet, aber die versprochene 'Harmonie' wollte sich nicht so recht einstellen. Der Haß zwischen beiden Gruppen blieb bestehen /Republika, 3.1.97/.

Ein ähnlicher Krieg zwischen ethnischen Gruppen hatte sich schon im Jahre 1967 ereignet, als in der Region um Singkawan Dayaks und Chinesen aufeinanderprallten. Die damaligen Auseinandersetzungen standen in Zusammenhang mit der Liquidierung der kommunistischen Partei, die in dieser Gegend eine ihrer Hochburgen hatte /Republika, 3.01.97 und 13.01.97/.

Asmara Nababan, Mitglied der nationalen Menschenrechtskommission KOMNAS HAM, meinte, die Unruhen in West-Kalimanten seien nicht mit den Ereignissen in Situbondo und Tasikmalaya zu vergleichen. Die Unruhen in West-Kalimantan seien schwerwiegender, da es zum frontalen Zusammenstoß zwischen den beiden rivalisierenden Lagern gekommen sei /Suara Merdeka, 7.1.97/.

Es begann die Suche nach den Ursachen des Konflikts. Der Polizeikommandant von West-Kalimantan, Oberst Erwin Ahmad sagte ohne Namen zu nennen, hinter den Unruhen gebe es bestimmte Drahtzieher /Suara Merdeka, 7.1.97/. Fünf Personen wurden verhaftet /Republika, 13.1.97/. Leutnant Uray Faisal Hamid, einheimischer Vertreter im Nationalparlament (DPR) meinte, die Wurzeln der Unruhen seien in den sozialen Problemen zwischen den eingeborenen Dayaks und den Zuwanderern aus Madura zu suchen. Die Dayaks profitierten nicht vom wirtschaftlichen Fortschritt, während die Transmigranten erfolgreicher seien /Suara Merdeka, 7.1.97/. Dagegen meinte der Camat (Vorsteher des Unterdistrikts) von Ledo, Yordanus, daß die Dayaks die Transmigranten aus Madura schlicht und einfach haßten. Auf verschiedenen Sitzungen, so Yordanus, hätten Dayaks erzählt, daß die Maduresen schnell zum Messer greifen würden. Das sei die Erklärung, warum sich der Haß der Dayaks nicht gegen Zuwanderer aus anderen Regionen, wie Javanesen, Sundanesen und andere, richte, von denen ebenfalls viele in dem Gebiet leben. Häuser und Moscheen in Sanggau Ledo, die mit Transparanten als Gebäude von Javanern oder Sundanesen gekennzeichnet waren, seien nicht niedergebrannt oder verwüstet worden /Suara Merdeka, 7.1.97/. <>

 
 
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