Indonesien-Information Nr. 1, 1997 (Ost-Timor)

Besuch des Friedensnobelpreisträgers José Ramos-Horta in der Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes der EKD Stuttgart am 17.12.1996

Statement von Dr. Hans-Otto Hahn,
Vizepräsident im Diakonischen Werk der EKD
(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist uns eine besondere Ehre, Herrn Ramos-Horta bei uns zu Gast haben zu können.

Er hat am 10. Dezember in Oslo den Friedensnobelpreis, zusammen mit Bischof Belo, erhalten. Ich beglückwünsche ihn, Bischof Belo und die Menschen in Ost-Timor zu dieser großen Auszeichnung. Herrn Ramos-Horta kennen wir seit vielen Jahren. Wir kennen ihn als einen unermüdlichen Freiheitskämpfer und international anerkannten Menschenrechtler, der seinen Grundsätzen immer treu geblieben ist. Sein Metier ist die Diplomatie. Seine Kenntnisse im internationalen System des Menschenrechtsschutzes vermittelt er an junge aktive Menschenrechtler der gesamten Asien-Pazifik-Region weiter, in dem von ihm aufgebauten und durch uns unterstützten Diplomacy Training Program in Australien. Herr Ramos-Horta kann seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr in seine Heimat zurückkehren. Denn dort herrscht ein Klima der Unterdrückung. Menschen verschwinden oder werden verhaftet und gefoltert, weil sie sich gegen die Unterdrückung durch eine fremde Macht wehren und sich für ein menschenwürdiges Dasein einsetzen. Trotzdem, oder gerade deswegen, ist er beharrlich in seinem Ziel, zu verhindern, daß der Kampf seines Volkes vergessen wird, und von der Völkergemeinschaft Gerechtigkeit und Selbstbestimmung für Ost-Timor einzufordern. Seit vielen Jahren werden wir immer wieder von verschiedenen Seiten wegen Ost-Timor angesprochen. Der Weltrat der Kirchen und die Christliche Konferenz in Asien, der Zusammenschluß der Kirchen Asiens, sowie Menschenrechtsorganisationen bitten uns, mitzuarbeiten für die volle Verwirklichung der Menschenrechte und der Suche nach einer politischen Lösung des Konfliktes.

Das Diakonische Werk der EKD trägt seit 1984 dazu bei, Ost-Timor in den evangelischen Kirchen zu einem Thema zu machen. Über zehn Jahre hinweg halfen wir einer kleinen Gruppe portugiesischer Christen, Informationen über den Krieg gegen das damals in Deutschland nahezu unbekannte Volk zu verbreiten. Später arbeiteten wir mit Juristen, kritischen Christen und Moslems in Indonesien zusammen.

Unser Ziel ist, durch die Unterstützung aktiver Menschenrechtler einen Beitrag zur Suche nach politischen Lösungen für Frieden und Gerechtigkeit zu leisten. Es war in der Vergangenheit nicht immer ganz einfach, offen über Ost-Timor zu sprechen. Die indonesischen Kirchen, die mit den deutschen Kirchen freundschaftlich und historisch verbunden sind, fürchteten den Druck der indonesischen Regierung, wenn ihre Brüder und Schwestern in Deutschland über die Gerechtigkeit in Ost-Timor sprechen würden. Die Situation hat sich geändert. Mittlerweile wird auch in Indonesien mehr über Ost-Timor diskutiert. Die staatliche Menschenrechtskommission "Komnas Ham" kritisiert die indonesische Regierung heute sogar offen für die Verbrechen ihrer Soldaten in Ost-Timor. Aber die Situation ist nicht einfacher geworden. Überall in der Welt wollen unterdrückte Minderheiten und Völker mehr Autonomie. In Indonesien gibt es das mehrfach. Zum Beispiel Westpapua - die indonesische Provinz Irian Jaya - oder Aceh (sprich: Atscheh) im Norden Sumatras. Die Regierenden Indonesiens sehen die Einheit ihres seit 50 Jahren existierenden Staates bedroht. Sie fürchten neue Aufstände und neue Kriege, wenn ihr Land bei Zugeständnissen sein Gesicht verliert.

Das nehmen wir sehr ernst, denn damit drohen neue Menschenrechtsverletzungen großen Ausmaßes.

Aus verschiedenen Reiseberichten wissen wir aber, daß die Ost-Timoresen auch nach 21 Jahren die indonesische Besatzung kategorisch ablehnen. Sie fühlen sich allein gelassen von einer gleichgültigen Staatengemeinschaft. Dabei hat die UNO festgestellt, daß Ost-Timor völkerrechtlich nicht zu Indonesien gehört. Menschenrechtsarbeit, wie das Diakonische Werk sie leistet, reicht für die Wende zum Frieden nicht aus. Sie kann zwar in einzelnen Fällen Beistand leisten und vielleicht auch Hoffnung schaffen. Wir wollen aber nicht, daß unsere Hilfe zum Feigenblatt einer Politik der Versäumnisse wird. Ost-Timor braucht politisches Engagement und aktiven Einsatz für eine einvernehmliche Lösung des Konflikts. Nur mit einer politischen Lösung kann weiteres Blutvergießen verhindert werden.

Zwei Anforderungen sind an diese Politik zu richten: Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit.

Mit Zukunftsfähigkeit meine ich: die internationale Diplomatie muß den Menschen in Ost-Timor eine neue Lebensperspektive verschaffen. Eine Perspektive der Hoffnung. Die Hinnahme der indonesischen Besatzung durch die Staatengemeinschaft ermöglicht den Ost-Timoresen keine Zukunft. Die Ost-Timoresen wollen Gerechtigkeit und Selbstbestimmung.

Die Bundesregierung sollte die Vereinten Nationen drängen, Wege zur Konfliktlösung durch Verhandlungen zu eröffnen. Die Instumentarien der UNO aktiv zu nutzen ist völkerrechtlich legitim, und keine unzulässige Einmischung in die Angelegenheiten souveräner Staaten.

Die zweite Anforderung lautet "Nachhaltigkeit". Der Einsatz für den Frieden darf nicht von Fragen wie etwa dem Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen abhängig gemacht werden. Die Außenpolitik der EU-Staaten sollte Garantien für die Dauerhaftigkeit von einvernehmlich getroffenen Lösungen übernehmen.

Eines brauchen wir allerdings nicht: ich meine die Ausfuhr von Waffen nach Indonesien. Der Waffenhandel konterkariert jede Diplomatie für den Frieden. Nach den Unruhen in Jakarta vom Juli dieses Jahres müssen wir das Land als Spannungsgebiet betrachten. Wenn wir nicht aufhören, Waffen nach Indonesien zu liefern, untergraben wir damit weiter das Vertrauen der Ost-Timoresen und der demokratischen Opposition Indonesiens. Die Lieferung von Panzern und Kriegsschiffen und dgl. sollten daher eingestellt werden. Unsere Industrie hat friedlichere Exportgüter anzubieten. Um nachhaltig zu sein, soll die Politik nach gewaltfreien Lösungen suchen und dafür auf verläßliche Partner und Persönlichkeiten setzen. Ich glaube, Herr Ramos-Horta ist ein solcher Partner. Auch aus unseren Kontakten nach Indonesien kennen wir Persönlichkeiten, mit denen man zukunftsfähige Politik betreiben kann.

Wir haben uns, zusammen mit der Menschenrechtsgruppe Watch Indonesia!, in Bonn sehr dafür eingesetzt, daß Herr Ramos-Horta dort als Botschafter seines Volkes gehört wird. Frau Bundestagspräsidentin Süssmuth und Herr Außenminister Kinkel haben zu meiner großen Freude zugesagt, ihn morgen zu Gesprächen zu empfangen. Das ist ein Zeichen, das mich optimistisch stimmt. Herr Ramos-Horta geht mit klaren Vorstellungen und Ideen in die Gespräche. Ich wünsche mir, daß er ebenso klare Antworten erhält, und daß ein aktiv-engagierter, fruchtbarer politischer Dialog daraus entsteht, im Sinne des Nobelpreiskomitees. Ich wünsche es ihm um der Menschen in Ost-Timor willen.

 
 
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