Indonesien-Information Nr. 1, 1997 (Aktion)

Indonesischer Vizekonsul setzt Entlastungszeugen von Sri-Bintang Pamungkas unter Druck

Dem in Berlin lebenden indonesischen Studenten Iwan Setiabudi, 24, droht die kalte Ausbürgerung durch den Berliner Vizekonsul Oberstleutnant (Letkol) Aryono. Aryono ist gleichzeitig der ranghöchste Geheimdienstler im Berliner Konsulat. Iwan zog den Zorn des Vizekonsuls auf sich, als er Anfang letzten Jahres als Entlastungszeuge im Fall gegen den verfolgten Dissidenten Sri-Bintang Pamungkas aufgetreten war. Aryono war damals maßgeblich daran beteiligt, daß Anklage gegen Sri-Bintang erhoben wurde. Aryono war es auch, der zuvor vier Belastungszeugen mitsamt der im Gericht verwendeten manipulierten Tonbandmitschnitte von Sri-Bintangs Rede auf ihren Einsatz im Gericht von Jakarta vorbereitet hatte.

Als Iwan Setiabudi Anfang Februar in der Paßabteilung des indonesischen Generalkonsulats in Berlin vorstellig wurde, um fristgerecht seinen Reisepaß verlängern zu lassen, sah es zunächst nach einer Routineangelegenheit aus. Iwan wurde gebeten, vier Paßbilder nachzureichen und sich am nächsten Tag wieder zu melden. Doch dann hieß es plötzlich, bevor er seinen Paß erhalten könne, wünsche der Vizekonsul, Letkol Aryono, ihn zu sprechen. Da Aryono keinen Termin mehr frei hatte, wurde Iwan auf einen neuen Termin ein paar Tage später vertröstet. Schließlich begann Aryono das 'Gespräch' sehr 'unindonesisch' mit direkten Vorwürfen an Iwan: "Was willst Du denn hier?" "Meinen Paß verlängern." "Ooooh, den brauchst Du noch?(...) Wie sieht es aus, gibt es schon Pläne, wieder ein Seminar zu veranstalten?" Mit der Frage spielte Aryono auf ein Seminar zum Thema 'Wahlen in Indonesien' an, das im Dezember von der indonesischen Studentenvereinigung PPI, in der Iwan Setiabudi als Vorstandsmitglied vertreten ist, veranstaltet wurde. Die PPI hatte u.a. hochrangige Vertreter der sich zur Wahl stellenden Parteien eingeladen.

Sowohl die Vereinigte Entwicklungspartei (PPP) als auch die Demokratische Partei (PDI) entsandten ihre Generalsekretäre, nur die Regierungspartei GOLKAR wollte keinen Vertreter nach Berlin schicken. Stattdessen hatte sich in maßloser Selbstüberschätzung seiner Position und seiner Redegewandtheit Letkol Aryono angeboten, auf dem Podium die Haltung der Regierung darzulegen - ein Angebot, das von der PPI dankend abgelehnt wurde.

"Warum beantragst Du nicht einfach bei Watch Indonesia! oder Amnesty International einen Paß?", setzte Aryono das 'Gespräch' fort. Auch diese Frage sollte eine Anspielung auf das 'Sündenregister' Iwans sein. Anfang August hatte Iwan an einer Demonstration vor dem Berliner Generalkonsulat teilgenommen, zu der Watch Indonesia! anläßlich der Ereignisse vom 27. Juli in Jakarta und des daraufhin erlassenen Schießbefehls gegen Demonstranten aufgerufen hatte. Einige Demonstrationsteilnehmer, die dem Aufruf gefolgt waren, sind dem Konsulat als Mitglieder von Amnesty International bekannt. "Warum arbeitest Du mit diesen 'bule-bule' (abfälliger Ausdruck für Weiße) zusammen , wo doch seit jeher klar ist, daß sie nur die Republik auf den Kopf stellen wollen?"

Letztlich wurde Iwan gebeten, eine Woche später wieder zu erscheinen. "Wir müssen noch ein paar Fragebögen ausfüllen," hieß es. Diese Fragebögen, die weder einen offiziellen Briefkopf noch ein Aktenzeichen trugen, enthielten etliche Fragen zu Iwans politischen Aktivitäten, die in keinerlei Zusammenhang zu seinem Anliegen nach Verlängerung seines Reisepasses standen. Iwan weigerte sich, dieses "Verhör" über sich ergehen zu lassen. "Andere Leute bekommen ihren Paß auch ohne Verhör," meinte er mit Verweis auf den Grundsatz der Gleichbehandlung. Iwan bestand darauf, zumindest eine Kopie der Fragen und Antworten ausgehändigt zu bekommen, was aber kategorisch abgelehnt wurde. Iwan beharrte aufseinem Standpunkt, das ganze Verfahren sei unrechtmäßig. Aber auch das Generalkonsulat blieb hart - ohne Verhör kein Paß.

Inzwischen hat der Fall weitere Kreise gezogen. In Indonesien erfuhr Sri-Bintang Pamungkas von dem Fall, der umgehend Briefe an Letkol Aryono, die Botschaft in Bonn und das Außenministerium in Jakarta schrieb. Sri-Bintang wertet die Einschüchterung Iwans als einen weiteren Versuch der Behörden, seinen eigenen Fall in Mißkredit zu bringen. In dem Gefühl, für seinen Entlastungszeugen in der Verantwortung zu stehen, trug Sri-Bintang Pamungkas den Fall inzwischen auch an die nationale Menschenrechtskommission KOMNAS HAM heran. Anläßlich dessen berichteten am 25. Februar mehrere indonesische Tageszeitungen über die seltsamen Kriterien zur Verlängerung von Reisepässen im Berliner Konsulat.

Dabei ist Iwan Setiabudi in Wirklichkeit kein Einzelfall - er ist nur der erste von vielen Fällen, der in dieser Ausführlichkeit von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Unter den im Ausland lebenden IndonesierInnen ist der Entzug des Reisepasses - der einer kalten Ausbürgerung gleichkommt - ein wohlbekanntes Druckmittel der Botschaften und Konsulate auf unangepaßte oder mißliebige indonesische Staatsbürger. Allen hier lebenden IndonesierInnen sind Beispiele von Leuten bekannt, die nicht mehr nach Hause zurückkehren können, weil ihnen der Paß entzogen wurde. Und alle verstehen die unausgesprochene Warnung, wenn jemand seinen Paß anstatt der üblichen 5 Jahre nur um ein Jahr oder gar nur um drei Monate verlängert bekommt.

Selbst vor dem Mittel der 'Sippenhaft' schreckt das Regime nicht zurück. Nach langem Hin und Her wurde der Frau eines anderen Entlastungszeugen im Falle Sri-Bintang Pamungkas vor kurzem ihr Paß um nur ein Jahr verlängert. Die Geschäftsfrau ist selbst in nicht politisch aktiv, doch ihren Ehegatten konnte das System nicht unter Druck setzen, da er ohnehin seit 1965 keine gültigen indonesischen Reisepapiere mehr besitzt.

Das System der Einschüchterung funktioniert bestens - die meisten Indonesier im Ausland haben mehr Angst, frei ihre Meinung zu äußern als in Indonesien selbst. Denn das Risiko in der Verbannung leben zu müssen ist für die meisten schlimmer zu ertragen als das Risiko, zu Hause vielleicht ins Gefängnis zu kommen. <>

 
 
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