Indonesien-Information Nr. 1, 1996 (Demokratie)

Lust auf Politik, aber sozial verkleidet

In der politischen Landschaft Indonesiens sind nach dem Parteiengesetz nur drei Parteien erlaubt, die an die Blockflöten der DDR erinnern. Neben der Regierungspartei GOLKAR sind nur die vereinigte Entwicklungspartei, PPP, und die demokratische Partei, PDI, zugelassen. Außerhalb der Parteienlandschaft ist nur die Gründung gesellschaftlicher - d.h. unpolitischer - Organisationen erlaubt, vorausgesetzt, sie dienen dem Wohle der Nation und des Staates /Forum Keadilan, 20.11.95/. In letzter Zeit traten mehrere neue Organisationen in Erscheinung. Die einen, von denen sich viele Namen von Parteien aus der Zeit der Alten Ordnung gaben, entstammen dem Reich des Lichts - man nennt sie auch OBOP (Organisasi Bekas Orang Penting; Organisation ehemals wichtiger Persönlichkeiten). Die anderen, genannt OTB (Organisasi Tanpa Bentuk; Organisation ohne Form), entstammen dagegen dem Reich der Finsternis.

islamische Erneuerung: Masyumi Baru

Die neueste gesellschaftliche Organisation Indonesiens nennt sich "Rat des islamischen Gemeindebundes Indonesiens" (Majelis Syarikat Ummat Muslimin Indonesia) oder Masyumi Baru. Die Betonung liegt auf "Baru" (Neu), um die Organisation von der alten Masyumi-Partei, die in den 60er Jahre unter Sukarnos Herrschaft verboten wurde, zu unterscheiden. Die alte Masyumi stand als Abkürzung für "Majelis Syurah Muslimin Indonesia" (indonesischer Rat der Verkündung des Islam) /Media Indonesia, 3.12.95; Forum Keadilan, 18.12.95/. Die Gründer von Masyumi Baru sind ehemalige Persönlichkeiten aus der Entwicklungspartei PPP sowie interessanterweise aus einer Reihe von Nicht-Regierungsorganisationen (NRO).

Sri-Bintang Pamungkas und Finanzminister Mar'ie Muhammad wurden als Vorsitzende vorgeschlagen. Sri-Bintang Pamungkas lehnte es aber ab, dieses Amt zu übernehmen, denn vorläufig versteht sich Masyumi Baru nicht als politische Partei /Forum Keadilan, 18.12.95; Republika, 29.11.95/. Sri-Bintang Pamungkas Interessen aber zielen eher auf die Bildung einer neuen politischen Partei /Republika, 29.11.95/. Diese Partei solle eine Allianz aller Kräfte darstellen, die für die Demokratie und gegen das Establishment sind, meint Sri Bintang. Als Name dieser noch zu gründenden Organisation ist "Partei der Demokratischen Union Indonesiens" im Gespräch /Kompas, 29.11.95/. Der Vorsitzende der islamischen Organisation Muhammadiyah, Amien Rais, der zugleich Vorstandsmitglied der islamischen Intellektuellenvereinigung ICMI ist, kritisierte die Gründung der neuen Masyumi und verbot seinen Mitgliedern, dieser Organisation beizutreten /Kompas, 29.11.95/.

die Konfessionellen: ICMI, PIKI, FCHI, ISKA und KCBI

Masyumi Baru ist nicht die einzige Organisation, die aus der Taufe gehoben wurde, nachdem Minister Habibie im Dezember 1990 die inzwischen mächtige Vereinigung der islamischen Intellektuellen Indonesiens, ICMI (Ikatan Cendekiawan Muslim Indonesia), gründete, der beispielsweise auch Sri-Bintang Pamungkas angehört. Als Reaktion auf ICMI folgten alle religiösen Himmelsrichtungen mit der Gründung ähnlicher Organisationen. So gibt es heute neben ICMI vier weitere Intellektuellenorganisationen: die Vereinigung der christlichen Intellektuellen Indonesiens, PIKI (Persatuan Inteligensia Kristen Indonesia), das Forum der hinduistischen Intellektuellen Indonesiens, FCHI (Forum Cendekiawan Hindu Indonesia), den Verband der katholischen Gelehrten Indonesiens, ISKA (Ikatan Sarjana Katolik Indonesia), und die Vereinigung der buddhistischen Intellektuellen Indonesiens, KCBI (Keluarga Cendekiawan Budhis Indonesia) /Forum Keadilan, 4.12.95/.

die Nationalen Intellektuellen: PCPP ...

Die Betonung der Religion erzeugte eine starke Rückbesinnung auf den Nationalismus, der alle religiösen Strömungen in sich vereinigt. Es war deshalb kein Wunder, daß die erste und stärkste Reaktion auf Habibies Organisation die Gründung einer Intellektuellenorganisation der Nationalen Besinnung war: sie heißt Vereinigung der Intellektuellen zur Entwicklung der Pancasila (PCPP) /Forum Keadilan, 20.11.95/. PCPP sieht eine ungesunde Entwicklung in Politik, Wirtschaft und Kultur, die die nationale Sicherheit gefährde. Monopolismus, Oligopolismus, Individualismus oder Egoismus der Gruppen und nicht zuletzt die Dominanz bestimmter Machtgruppen seien die Beweise dafür. Die Botschaft der PCPP war klar: sie bezog Stellung gegen ICMI, die sich nur auf islamische Intellektuelle beruft. Außerdem ist das Thema Nation attraktiv für das Militär. PCPP-Gründer General Moehono ist ehemaliger Sekretär des Präsidenten für militärische Angelegenheiten. Die PCPP wird von weiteren hochrangigen Militärs und Ministern unterstützt /Forum Keadilan, 20.11.95/.

... und PSCMI

Eigentlich hätte man gedacht, daß eine Organisation wie PCPP für alle Intellektuellen nationaler Gesinnung genügen sollte. Doch dem war offenbar nicht so, denn innerhalb des Lagers der Intellektuellen gibt es Gelehrte, Jung- und Altintellektuelle. Das hatte die PCPP wohl übersehen ... . So entstand die Vereinigung der Gelehrten und Jung-Intellektuellen Indonesiens PSCMI (Persatuan Sarjana dan Cendekiawan Muda Indonesia). PSCMI wurde von der Stiftung zur Wohlfahrt der indonesischen Gelehrten YAKSI (Yayasan Kesejahteraan Sarjana Indonesia) aus der Taufe gehoben. Die Initiatorin ist Ibnu Hartomo, aus der Familie von Suhartos Frau. PSCMI wurde schon im Januar 1995 gegründet, trat aber erst am 12.10.95 an die Öffentlichkeit /Forum Keadilan, 20.11.95/.

die nichtintellektuellen Nationalen: PNI ...

Durch die Beschränkung auf Intellektuelle jedweder Couleur blieben die übrigen Volksschichten außen vor. Für sie wurden im Oktober weitere Organisationen - die auf keinen Fall als Parteien bezeichnet werden dürfen - gegründet. Die erste nennt sich Persatuan Nasional Indonesia (PNI), Nationale Einheit Indonesiens, oder die Neue PNI. Laut ihren Gründern ist ihre Zielsetzung glasklaaaar: die Wahrung der Einheit der Nation und des Staates. Selbstverständlich ist die Neue PNI ein Sammelbecken für die Anhänger der "Alten" PNI, der Nationalen Partei Indonesiens des früheren Präsidenten Soekarno. Die ehemalige PNI wurde nach der Etablierung der Neuen Ordnung praktisch verboten, indem Soeharto diese Partei zwang, sich mit den christlichen Parteien zur Demokratischen Partei Indonesiens, PDI, zu vereinigen. /Forum Keadilan, 20.11.95/ Aber die alte Garde der Nationalisten, die sich nun in der Neuen PNI versammeln, sind nicht nach dem Geschmack der anderen national gesinnten Gruppierungen. Schließlich stand ja Soekarnos Nationalismus politisch links und roch nach Marx, Hegel und Engels. Der Minister für Jugend und Sport, Haryono Isman, warnte daher schon vor den Gefahren dieser Art von Nationalismus. Zwar sind die drei genannten Personen (Hegel, Marx und Engels d.S.) ebenso deutsche Produkte wie Minister Habibie, aber nach Minister Haryono Isman, gefährden sie die nationale Einheit, da sie eher nach Klassenkampf als nach Einheit riechen /Haryono Isman: Marhaeinisme Diperlukan Atau Haram? in Forum Keadilan, 4.12.95/.

... und YKPK

Fast gleichzeitig mit der Gründung der Neuen PNI, entstand die zweite nationale Organisation: Yayasan Kerukunan Persaudaraan Kebangsaan (YKPK) oder Stiftung für die Harmonie der nationalen Brüderlichkeit. Im Gegensatz zur PNI, gehören der YKPK viele ehemals hochrangige Beamte und Militärs an. So gehört zu den Gründern u.a. General a.D. Kharis Suhud, ehemaliger Kommandant der berüchtigten Militäreinheit für Sicherheit und Ordnung KOPKAMTIB (die inzwischen durch BAKORSTANAS ersetzt wurde) und Präsident der indonesischen Volksversammlung MPR/DPR. Interessanterweise auch mit dabei sind eine Reihe von Persönlichkeiten, die ehemals der Regierungspartei GOLKAR als Funktionäre angehörten, aber durch deren derzeitigen Vorsitzenden, Minister Harmoko, "gesäubert" wurden. Dazu zählen auch die sogenannten 'kritischen' Parlamentsmitglieder aus den Reihen von Militär und Regierungspartei. Auch bekannte kritische Indonesier chinesischer Abstammung wie Kwiek Kian Gie oder Christianto Wibisono zeigten sich interessiert /Forum Keadilan, 20.11.95; Kompas, 24.10.95/.

die Christen: PARKINDO

Außer diesen beiden nationalgesinnten Organisationen gibt es noch eine eher unbedeutende dritte: Die Partizipation der Christen Indonesiens, PARKINDO. Der Name erinnert natürlich an die alte Christliche Partei Indonesiens, PARKINDO (Partai Kristen Indonesia) /Forum Keadilan, 18.12.95/. Diese wurde in den 70er Jahren mit der alten PNI zur neuen Demokratischen Partei Indonesiens, PDI, zwangsvereinigt.

die "legale" Partei PPP: "Wahlbetrug!"

Während ob des Aufkommens all dieser neuen Organisationen noch allgemeine Verwirrung herrschte, haben fünf regionale Vorsitzende der Entwicklungspartei PPP der Regierung damit gedroht, die kommenden Wahlen zu boykottieren, falls die Regierung ihrer Klage wegen der Wahlen von 1992 nicht nachgehe. Die fünf Politiker aus den PPP-Verbänden Jakarta, West-Kalimantan, Zentral-Kalimantan, Aceh und Bengkulu sind der Auffassung, daß es 1992 Wahlbetrug gab /Republika, 30.11.95; Kompas, 30.11.95/.

Erklärungsversuche

Warum soviele Organisationen? Nach Meinung des Schriftstellers und Universalgenies Mangunwijaya kam es nicht von ungefähr zu all diesen Neugründungen. Er meint, sie müßten von mächtigen Kräften unterstützt oder vom Militär geduldet werden /Kompas, 5.11.95/. Prof. William R. Liddle von der Ohio University (USA) meinte, daß die Entstehung dieser Organisationen nur Ausdruck von Konflikten innerhalb der Elite sei. Die neuen Organisationen gefährdeten die Monopolstellung der von Habibie geführten ICMI, die bei der kommenden Präsidentenwahl eine dominierende Rolle spielen könnte /Forum Keadilan, 20.11.95/. Der Initiator der neuen Masyumi, Ridwan Saidi, sagt, die existierenden sozialen und politischen Institutionen seien zu schwach geworden, um die Bedürfnisse der Massen befriedigen zu können /Kompas 28.11.95/. Cornelis Lay, Politikwissenschaftler an der Gajah Mada Universität Yogya, sah Parallelen mit der Gründung von Nicht-Regierungsorganisationen in den 70er Jahren. Die Leute seien frustriert und die formalen politischen Kanäle seien verstopft. Deshalb versuchten viele Leute in neuen Organisationen ihre politischen Ambitionen zu verwirklichen. Der Erfolg von ICMI als sozialer Organisation, die bereits etliche Minister stelle, mache Schule. Durch die Gründung neuer Organisationen hofften die Leute, an diesen Erfolg anknüpfen zu können, um ebenfalls eine politische Rolle zu spielen /Forum Keadilan, 20.11.95/. Der Oberbefehlshaber des Heeres, General Hartono, erklärte, die Regierung sei nicht gegen die Gründung neuer Organisationen, aber wenn ihre Existenz die nationale Sicherheit gefährde, dann würden die Streitkräfte (ABRI) etwas dagegen unternehmen /Republika, 30.10.95/.

die Illegalen: OTB

Die Gründung von Organisationen wie YKPK, PNI und all der anderen genannten gehen auf die lichte Welt der Mächtigen zurück. Die Zeitschrift Forum Keadilan nannte diese Organisationen kurz OBOP (Organisasi Bekas Orang Penting), das heißt soviel wie Organisationen ehemals wichtiger Leute /Forum Keadilan, 20.11.95/.

Doch auch aus dem Reich der Finsternis wurden neue Organisationen geortet - und aus dieser unsichtbaren Welt enstammende Organisationen sind natürlich 'gefährlicher'. Sie werden Organisationen ohne Form, OTB (Organisasi Tanpa Bentuk), genannt. Präsident Suharto warnte die junge Generation vor den OTB, denn sie verbreiteten kommunistisches Gedankengut, um die nationale Einheit zu zerstören und die Abwehrkräfte der Nation zu schwächen /Kompas, 7.10.95/.

Populär gemacht wurden die OTB durch General Soeyono, Militärchef für Allgemeine Angelegenheiten und ehemaliger Leibgardist des Präsidenten /Republika, 17.10.95; Forum Keadilan, 6.11.95/. Nach Soeyono operieren die "OTBs" mit Themen wie Menschenrechtsverletzungen, Demokratie, Umwelt usw. /Forum Keadilan, 6.11.95/. Wie der General erklärte, erkennt man die OTBs daran, daß sie unter Deckmänteln wie "Studentenorganisation", "Solidarität" und ähnlichen Begriffen operieren /Republika, 17.10.95/. Nach General Soeyono, dessen Schwiegermutter als Sozialministerin im Kabinett sitzt, entspricht die Arbeit der OTBs den Methoden der Kommunisten ("ein vernünftiges Wort - und schon ist man Kommunist" ... das kennt man ja auch in BRDland. d.S.) /Forum Keadilan, 6.11.95/.

"Sie bewegen sich wie ein Geist", erklärte der Minister für Politik und Sicherheit, General Susilo Sudarman /Forum Keadilan 06.11.95; Kompas 14.10.95/. Der stellvertretende Vorsitzende des obersten Konsultationsrates, Suhardiman, erklärte, man mache sich große Sorgen wegen der OTBs, die er in zwei Gruppen unterscheidet: Zu den OTBs Typ I zählt er alle Bewegungen, die gegen das Establishment sind. Die OTBs Typ II seien dagegen nichts anderes als die Neuen Kommunisten, genannt KGB (Komunis Gaya Baru). Dazu zählen angeblich George Aditjondro und Arief Budiman, beide (ehemalige) Dozenten an der Christlichen Universität Satyawacana in Salatiga, der Schriftsteller Pramoedya Ananta Toer, Mochtar Pakpahan von der unabhängigen Gewerkschaft SBSI, der Politiker Sri Bintang Pamungkas, die Menschenrechtler Mulyana W. Kusumah (Rechtshilfeinstitut LBH) und H.J.C. Princen (LPHAM), Oei Tjoe Tat, ehemaliger Minister unter Sukarno, der bekannte Parapsychologe Permadi und Liem Soei Liong, Aktivist der Menschenrechtsorganisation Tapol in London /Forum Keadilan, 6.11.95/.

Der Sprecher der Entwicklungspartei PPP, Hadimulyo, kritisierte die Verbreitung der Gerüchte über OTBs, weil damit Mißtrauen innerhalb der Gesellschaft erzeugt werde. "Denn wie soll die Bevölkerung die OTB erkennen, wenn die Regierung die Kriterien dafür, was eine OTB ist, nur unklar definiert?", fragte Hadimulyo /Kompas, 14.10.95/. Die Verbreitung solcher Gerüchte sei nichts anderes als ein Versuch, die Gesellschaft im Zaum zu halten, erklärte auch Aberson Marle Sihaloho, ein Mitglied der Demokratischen Partei PDI. Der Dozent an der Christlichen Universität Satyawacana Salatiga, Ariel Heryanto, erinnert sich an ein Interview mit dem Chefs des indonesischen Geheimdienstes BAKIN, General Sutopo Yuwono, in der Zeitschrift Jakarta-Jakarta vor zwei Jahren. General Sutopo Yuwono erzählte damals folgendes: "Das lustige in der Geheimdienstwelt ist die Psy War-Technik. Als Geheimdienstler erfinden wir einfach Gerüchte, die wir in den Medien, egal ob in Zeitungen oder im Fernsehen, verbreiten. Wir tun so, als ob die Gerüchte wahre Geschichten wären. Wenn die Gerüchte erstmal auf dem Markt sind, reagieren die Leute in der Regel und dramatisieren die Gerüchte. Zum Schluß kommen die schon dramatisierten Gerüchte als Berichte wieder bei uns an. Das lustige ist, daß wir dann daran glauben, daß diese Gerüchte wahr sind, ha-ha-ha-ha. Und sogar wir selbst haben Angst und machen uns Gedanken: 'Vielleicht sind die Gerüchte wahr'" /Ariel Heryanto in Waspada Agitrop-OTB, Forum Keadilan 6.11.95/. <>

 
 
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