Indonesien-Information Nr. 1, 1996 (West-Papua/Irian Jaya)

Bonanza im Wilden Osten

Die Diskussion um Indonesiens Herrschaft über West-Papua ist untrennbar verbunden mit dem Namen Freeport. Seit fast 30 Jahren beherrscht die gigantische Gold- und Kupfermine das Geschehen auf der 1963 von Indonesien annektierten Inselhälfte, der heutigen Provinz Irian Jaya. Doch gigantisch sind nicht nur die Vorkommen an Edelmetall und die aus deren Abbau erzielten Gewinne. Gigantisch sind auch die Ausmaße der Umweltzerstörung sowie der Landenteignungen, die mit dem Minenbetrieb einhergehen. Immer mehr gerät Freeport zudem wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen unter Beschuß.

Eine für PT Freeport Indonesia durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) genügte nach Ansicht der indonesischen Umweltschutzorganisation WALHI nicht den Anforderungen, weshalb die Regierung das Recht gehabt hätte, den Weiterbetrieb der Mine zu untersagen. WALHI sieht in dem Betrieb eine Gefährdung der Umwelt und sorgt sich insbesondere um die sozialen Folgen für die Völker der Amungme und der Komoro, deren Land bereits seit 25 Jahren zur Lagerung von Abraumhalden mißbraucht wird. Ganze Täler werden verschwinden, angefüllt mit dem Bergematerial der Gold- und Kupfermine, aus dem saures schwermetallhaltiges Sickerwasser austritt. Auch die Neutralisation des Abwassers aus der Erzaufbereitung bezeichnet WALHI als ungenügend. Doch laut WALHI finden sich in den UVP-Unterlagen keine Hinweise auf diese massive Gefährdung der Umwelt /Kompas, 31.12.94/.

Am 16. Mai 1995 reichte WALHI in Jakarta eine Klage gegen das Bergbauministerium ein, das trotz der schweren Mängel die UVP als ausreichend anerkannt hatte. Eigentlich hätte entsprechend dem indonesischen UVP-Gesetz eine Kommission, bestehend aus Regierungsvertretern, unabhängigen Experten und NGOs, über die Zulässigkeit der UVP zu entscheiden gehabt. Doch WALHI, selbst mit einem nichtständigen Sitz in dieser Kommission vertreten, bemängelte, daß die Entscheidung im Falle von PT Freeport am 17. Februar 1995 letztlich alleine vom Bergbauministerium getroffen worden war, ohne die anderen Kommissionsmitglieder zuvor noch einmal zu Rate zu ziehen. Dies, obwohl die Kommission erst im Dezember 1994 die von Freeport eingereichte UVP zurückgewiesen hatte, da sie in 69 Punkten nachbesserungsbedürftig war. Damals wurde Freeport eine Frist von drei Monaten eingeräumt, um die beanstandeten Punkte zu verbessern. Dennoch entschied das Gericht am 30. Oktober, die Klage der Umweltschützer abzuweisen und die UVP anzuerkennen /Republika, 31.10.95/.

1984 wurde Freeport schon einmal einer UVP unterzogen, deren Ergebnis aber nie veröffentlicht wurde. Doch um die Folgen des Bergbaus für die Umwelt zu erkennen, braucht es nicht unbedingt einer wissenschaftlichen Studie. Damals wurden täglich etwa 60.000 Tonnen Bergematerial einfach in den Fluß Ajikwa gekippt, mit dessen Strömung sie ins Meer befördert werden sollten. Inzwischen ist diese Zahl auf rund 100.000 Tonnen angestiegen. Doch ein großer Teil des Materials sedimentiert bereits im Fluß selbst. Versandungen immensen Ausmaßes sind die Folge, immer wieder tritt der Ajikwa über die Ufer, um sich ein neues Bett zu suchen. Ganze Landstriche wurden auf diese Weise bereits verwüstet und mit ihnen der Lebensraum der Mimika, eines Küstenvolkes der Region /Green Left, No. 146, 8.6.94/.

Nicht nur die Waldgärten der Mimika sterben durch die Überschwemmungen und Sedimentablagerungen, auch das Leben im Fluß selbst wird in Mitleidenschaft gezogen. Die Trübung des Wassers mindert den Lichteinfall und damit das Wachstum von Phytoplankton und Wasserpflanzen. Als Folge davon gingen die Fischfangerträge deutlich zurück. Völlig ungeeignet ist der Fluß inzwischen als Trinkwasserquelle /Down To Earth, No. 25, Mai 95/. Im Juni 1980 brach eine Epidemie aus, an der 216 Kinder starben. Die Krankheitssymptome gaben Hinweis auf Vergiftung durch Schwermetalle wie Kupfer und Blei. Die endgültige Klärung der Ursache war jedoch nicht möglich, da der Arzt, der den Fall untersuchte, vor Abschluß seiner Arbeit aus der Region wegversetzt wurde.

Die Kupfermine erweist sich als Goldgrube

Die unerwartete Versetzung des Arztes ist nur eines der vielen Anzeichen für die Macht, die Freeport in Irian Jaya ausübt. Als das Bergbauunternehmen Freeport McMoran aus New Orleans 1967 seine Arbeit am Ertsberg in West-Papua aufnahm, war dies ein erster nennenswerter Erfolg der Regierung Suharto, westliches Kapital in Indonesien anzusiedeln. In den Folgejahren wurde daraus für beide Seiten ein blühendes Geschäft. Die zuvor eher unbedeutende Firma Freeport McMoran hatte den Sprung in die Reihe der weltweit bedeutenden Bergbauunternehmen geschafft und war über Jahre hinweg der größte Steuerzahler in Indonesien. Alleine die Freeport-Mine erwirtschaftet 47 % des Bruttosozialprodukts der Provinz Irian Jaya.

Freeport McMoran hielt den Löwenanteil an PT Freeport Indonesia. Etwa 10 % der Anteile gehörten dem indonesischen Staat, weitere 4 % dem Hamburger Kupferproduzenten Norddeutsche Affinerie sowie ein geringer Teil dem indonesischen Bergbauunternehmen PT Indocopper Investama. Das erste Abbaufeld am Ertsberg erwies sich im wahrsten Sinne des Wortes als Goldgrube, denn neben den reichhaltigen Kupfervorkommen enthielt das geförderte Erz auch unvermutete Mengen an Gold. Der Ertsberg wurde inzwischen völlig abgetragen, an seiner Stelle klafft nun eine 360 m tiefe wassergefüllte Grube.

Als die Erzvorkommen am Ertsberg Anfang der 90er Jahre weitgehend erschöpft waren, begann Freeport mit der Erschließung einer neuen Mine am Grasberg, nur 2 km vom alten Standort entfernt. Mehr als 1 Milliarde Tonnen Erz werden dort vermutet, die neben Kupfer auch bedeutende Mengen an Gold und Silber enthalten. Alleine die Goldvorkommen werden auf einen Handelswert in Höhe von US$ 15 mrd. geschätzt, womit der Grasberg die weltweit größte bekannte Goldlagerstätte darstellt. Der Wert der Kupfervorkommen wird auf US$ 15 mio geschätzt.

Unlängst sicherte sich Freeport die Abbaurechte auf einer Fläche von 2,5 mio ha entlang der zentralen Hochgebirgskette West-Papuas - eine schier unvorstellbare Fläche: das jetzt schon gigantische Revier am Ertsberg und Grasberg umfaßt gerade einmal eine Fläche von 10.000 ha. An diese Ausdehnung der Schürfrechte um das 250fache knüpfte die indonesische Regierung allerdings die Bedingung, daß Freeport-McMoran seine Anteile an PT Freeport Indonesia auf 40 % reduziert, bzw. auf 55 % unter der Zusatzbedingung, daß die Freeport-Aktie an der Börse in Jakarta eingeführt wird.

Doch anstatt der möglicherweise erhofften stärkeren Beteiligung indonesischen Kapitals an dem Unternehmen, übernahm daraufhin die britische Bergbaufirma RTZ einen Teil der Anteile an PT Freeport Indonesia /Bisnis Indonesia, 8.4.95/. Und, um sich besser auf das Kerngeschäft konzentrieren zu können, wie es offiziell hieß, wurden einige nicht direkt mit der Bergbautätigkeit in Verbindung stehende Besitztümer des Unternehmens wie Hotel-, Kraftwerks- und Hafenanlagen im Wert von US$ 650 mio veräußert. Unter den Käufern ist auch die ALatief Corp., ein Unternehmen im Besitz von Indonesiens Arbeitsminister Abdul Latief /Bisnis Indonesia, 1.3.95/.

Das in Tembagapura abgebaute Kupfererz erfährt vor Ort nur eine Vorbehandlung. Im sogenannten Leaching-Prozeß wird mit Hilfe geeigneter Chemikalien flüssiges Kupferkonzentrat aus dem Roherz herausgelöst und per Pipeline zum Seehafen befördert. Von dort wird das Konzentrat zu Kupferschmelzen ins Ausland, größtenteils in Japan, ein geringerer Teil aber auch zur Norddeutschen Affinerie in Hamburg, verschifft. Um den damit verbundenen Transportaufwand zu minimieren und um in Indonesien eine höhere Fertigungsstufe zu erreichen, soll nun in Gresik, Ost-Java, eine eigene Kupferschmelze gebaut werden. Am Bau dieser Anlage ist mit 55 % die Frankfurter Lurgi AG beteiligt, eine Tochter der deutschen Metallgesellschaft. Watch Indonesia! liegen keine Erkenntnisse vor, daß die Planung zum Bau dieser Kupferschmelze zu irgendeinem Zeitpunkt in Frage gestellt wurde, obwohl doch der Metallgesellschaft bekanntermaßen vor wenigen Monaten der Konkurs drohte. Mit neuem Geld einiger Großbanken und einem Sanierungskonzept versehen, das eine Neuordnung des Firmenbesitzes vorsah, konnte der Konkurs der Metallgesellschaft schließlich abgewendet werden. Dabei wurden die Pläne für die Fabrik in Gresik von den Wirtschaftsprüfern offenbar als Investition in die Zukunft des Unternehmens angesehen.

Wer profitiert von Freeport?

Für Indonesiens Wirtschaft stellt der Bau der Anlage in Gresik zweifelsohne einen bedeutenden Schritt in Richtung eines höheren Technologieniveaus und höherer Gewinne dar. Zahlreiche neue Arbeitsplätze werden dadurch in Ost-Java geschaffen werden.

Von deutlich geringerem Nutzen ist die Kupfergewinnung für die Bewohner West-Papuas. Nur 800 von derzeit etwa 12.500 Arbeitskräften bei Freeport stammen aus der Provinz Irian Jaya, gerade einmal 6,4 %. Schlecht ausgebildet, werden sie meist für körperlich anstrengende Jobs sowie für Hilfsarbeiten eingesetzt, die kaum Aufstiegschancen versprechen. Etwa 90 % der Beschäftigten kommen aus anderen Teilen Indonesiens und 4 %, meist Angestellte im höheren und mittleren Management, sind weiße Experten aus Amerika, Australien und Europa /Dep. of Information: Indonesia 1995 - An Official Handbook/.

Für die tausenden von zugereisten Arbeitern wurde Anfang der 70er Jahre die Retortenstadt Tembagapura geschaffen. Die Stadt verfügt über alle Annehmlichkeiten, die das Leben in der Wildnis versüßen können: Supermärkte, Tennisplätze, Swimmingpools, Gesundheitseinrichtungen u.v.m.. Erreichbar ist Tembagapura mit indonesischen Linienmaschinen, die den firmeneigenen Flughafen Timika anfliegen. Doch wegen der Expansion des Unternehmens reicht das luxuriöse Ghetto in Tembagapura nicht mehr aus, um alle Arbeitskräfte unterzubringen. So stampfte PT Freeport nun, zusammen mit einem Unternehmen im Besitz von Arbeitsminister Abdul Latief, in Nähe der Küste eine weitere Stadt für 20.000 Bewohner aus dem Boden, inclusive des inzwischen unvermeidlichen Golfplatzes. Die Stadt, die in der Planungsphase den schlichten Namen "Kota Baru" (Neustadt) trug, wurde in einer feierlichen Zeremonie Anfang Dezember 1995 von Präsident Suharto auf den Namen "Kuala Kencana" getauft /Gatra, 16.12.95/.

Das lokal ansässige Volk der Amungme wird nicht zu den Bewohnern der neuen Luxussiedlung gehören. Ebenso wie in Tembagapura wird ein stacheldrahtbewehrter Zaun ihnen Eintritt und Einsicht in die Stadt verwehren. Die Amungme leben weiterhin in den nahegelegenen Slums oder in weit entfernten Dörfern, in die sie vertrieben wurden. Seit Anfang der 70er Jahre wurden 173.000 Menschen, hauptsächlich Angehörige des Amungme-Volkes, umgesiedelt, weil sie der Mine im Weg waren. Es wird geschätzt, daß alleine für die neue Stadt Kuala Kencana etwa 2.000 Amungme von ihrem angestammten Land vertrieben wurden.

Werden für Projekte im nationalen Interesse Landrechte berührt, so sieht das indonesische Gesetz Entschädigungszahlungen vor, falls es sich um kultiviertes Land handelte. Die traditionelle Landnutzung vieler indigener Völker, erfüllt jedoch nicht die Kriterien, die die Behörden an den Begriff "kultiviertes Land" stellen. Die Waldgärten, in denen die Indigenen Früchte und Holz sammeln oder auf die Jagd gehen, werden von den Behörden schlicht als "Urwald" angesehen, der sich im Allgemeinbesitz befindet. Somit gehen die vertriebenen Amungme leer aus.

Die konsequente Mißachtung ihrer traditionellen Rechte führte 1977 zu einem ersten größeren Zwischenfall, als die Amungme mit Unterstützung der Freiheitsbewegung OPM (Organisasi Papua Merdeka) eine Pipeline der Freeport-Mine sprengten, in der Kupferkonzentrat von Tembagapura zur Küste transportiert wurde. Indonesiens Luftwaffe antwortete auf diesen Anschlag mit Flächenbombardements auf die umliegenden Dörfer der Amungme. Die Zahl der Todesopfer wird auf 3.000 Männer, Frauen und Kinder geschätzt.

Der Widerstand in der Region hält an. Die australische Menschenrechtsorganisation ACFOA berichtete als erste über eine Reihe von Zwischenfällen in den Jahren 1994 und 1995. Zwischen Juli und Dezember 1994 wurde von der OPM mehrfach die Flagge West-Papuas im Tsinga-Tal gehißt, eine weitverbreitete Art, zivilen Ungehorsam zu demonstrieren. Dieser friedliche Protest wurde allerdings ergänzt durch Aktionen bewaffneter OPM-Kämpfer,auf die das indonesische Militär mit brutaler Härte reagierte. Mindestens 10 Bewohner des Tsinga-Tals wurden bei den Auseinandersetzungen getötet. Andere wurden in Timika gefoltert und danach verschleppt; seither fehlt von ihnen jede Spur. Am 25. Dezember wurde auch in Tembagapura die Papua-Flagge gehißt. Das Militär griff erneut mit Härte durch und erschoß auf der Stelle drei Leute. Weitere Opfer sollten folgen. Insgesamt sind bei den Aktionen in Tsinga und Tembagapura mindestens 37 Menschen getötet oder an einen unbekannten Ort verschleppt worden, wo sie möglicherweise hingerichtet wurden. 22 von ihnen waren Zivilisten.

Anfang Februar wurde außerdem berichtet, daß sich in der Gegend um Tembagapura ca. 200 Freiheitskämpfer dem indonesischen Militär ergeben hätten. Tatsächlich hatten sich ca. 250 Dorfbewohner aus Angst vor Übergriffen des Militärs 6 Monate lang im Wald versteckt, bis die schlechte Versorgungslage die dazu zwang, mit ABRI Kontakt aufzunehmen, um eine Garantie für ihre Sicherheit zu erlangen, falls sie ihr Versteck verlassen würden. Nachdem 26 Unterhändler in schwierigen Verhandlungen, die begleitet waren vom Mißtrauen beider Seiten, diese Garantie erhielten, verließen die Leute ihr Versteck. Als sie nach Tsinga zurückkamen, mußten sie zunächst in der Kirche Zuflucht nehmen, denn ihre Häuser waren in der Zwischenzeit von ABRI niedergebrannt worden. /ACFOA, Australian Council for Overseas Aid: Trouble at Freeport, April 1995/ Der katholische Geistliche Bischof Munninghof nahm diesen Bericht zum Anlaß zu einer eigenen Untersuchung, die die vom ACFOA dargestellten Behauptungen weitgehend bestätigten und darüberhinaus einige weitere Menschenrechtsverletzungen verzeichneten. Eine weitere Untersuchung wurde daraufhin von der nationalen Menschenrechtskommission KOMNAS HAM angefertigt. Auch de~ ren Bericht bestätigt die Erkenntnisse von ACFOA.

Freeport erneut unter Beschuß

Die nicht abreisenden Berichte über Menschenrechtsverletzungen im Gebiet der Freeport-Mine blieben nicht ohne Folgen. Zwar wurde bislang von fast allen Seiten vermieden, Freeport direkt dafür verantwortlich zu machen, doch dafür interessierte man sich nun stärker für die Umweltzerstörung durch die Mine. Die zuvor mit ihrer Klage gescheiterte Umweltorganisation WALHI bekam unerwartete Unterstützung als die indonesische Regierung Freeport zur Auflage machte, ein Umwelt-Audit durchführen zu lassen. Den 500.000 $ schweren Auftrag dafür erhielten die US-amerikanischen Gutachterfirmen Dames & Moore und Labat Anderson /Indonesian Embassy, USA: News and Views Indonesia, 26.1.96/.

Aus den USA, dem Heimatland des Freeport-Konzerns, meldete sich die Overseas Private Investment Corporation (OPIC) zu Wort. OPIC gewährt im Ausland tätigen Firmen Ausfallbürgschaften für den Fall, daß sie aufgrund politischer Umstände Schaden erleiden. Wegen -vertragswidriger- schwerer Umweltzerstörung kündigte die OPIC den Vertrag mit Freeport mit Wirkung zum 31. Oktober 1995. Zwar triftt die Vertragskündigung nicht den vitalen Nerv des Bergbauunternehmens. Doch Freeport wird sich in nächster Zeit einiges einfallen lassen müssen, um sein ramponiertes Image wieder aufzupolieren. <>

 
 
Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage