Indonesien-Information Nr. 1, 1996 (Ost-Timor)

Sagt Euren Männern: "Respektiert Ost-Timor!"

Die Frauen des Nationalen Widerstandsrates in Osttimor (CNRM) haben an die Teilnehmerinnen der Weltfrauen-Konferenz in Beijing 1995 die folgende Botschaft geschickt:

6. September 1995

Liebe Konferenzteilnehmerinnen, Grüße aus Osttimor!

Ich denke an Euch alle in der Mitte der Nacht, umgeben von großem Schweigen in Dili und versuche mir vorzustellen, wie viele ihr seid, wie stark ihr seid, wie frei ihr miteinander reden könnt und wie wunderbar das alles sein muß. Ich gratuliere euch dazu, zu dem was ihr erreicht habt und erreichen werdet im Laufe der Konferenz.

Vor nahezu 20 Jahren, am 7. Dezember 1975 hat Indonesien mein Land Osttimor besetzt; Luftlandetruppen fielen aus Flugzeugen vom Himmel, im Norden spuckten Boote Feuer und Haß vom Wasser der vergewaltigten "weiblichen Osttimorsee" aus. Seitdem gehört zu unserem Alltag ein Leben unter Militärherrschaft, ein Leben im Krieg mit all seinen Begleiterscheinungen wie, Vergewaltigung, die Verletzung von fundamentalen Menschenrechten, Repressionen, Verhaftung und Tod. Wir haben mehr als 1/3 unserer Bevölkerung verloren, und die Liste unserer Leiden reißt nicht ab.

Wir Frauen von Osttimor haben alles erlebt, was eine militärische Invasion und Besetzungsmachinerie mit sich bringt: Vergewaltigung, Gefangennahme und Tod. In den letzten 20 Jahren sind unzählige Frauen in indonesischen Gefängnissen überall in Osttimor durch die Hölle gegangen. Bei dem Versuch, den indonesischen Schergen zu entkommen, starben viele von uns starben an Hunger und Erschöpfung in den Bergen, andere verbrannten im Hagel von Napalmbomben oder wurden auf dem Schlachtfeld erschossen, wieder andere vegetierten in vom indonesischen Militär kontrollierten Gefängnissen vor sich hin, ständig vergewaltigt, bis sie starben oder hingerichtet wurden. Viele von uns tragen am Körper die Narben der endlosen Tage und Nächte in Gefangennahme. Unsere Männer und Kinder zogen aus, um gegen die indonesischen Invasoren zu kämpfen: Viele kamen nicht wieder zurück. Andere sind noch am Kämpfen, erledigen Botengänge im Untergrund oder sind auf der Flucht. Wir Frauen und Mütter bangen um sie jede Stunde des Tages. Wir haben einen hohen Preis bezahlt und zahlen noch immer - für Freiheit unseres Landes.

Das indonesische Militär hat uns Frauen und Mütter grauenvolles angetan. In den schwierigsten Zeiten, Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre, haben indonesische Militärs unsere Männer und Kinder üblicherweise vor unseren Augen ermordet. Dem nicht genug, zwangen sie die anwesenden Frauen und Mütter dabei lächelnd "Viva Indonesia" zu schreien und dann ihre Männer und Kinder zu beerdigen. Kleine ungeborene Babys haben sie mit Messern aus dem Leib der Mutter geschnitten und in ihrer "anti-kommunistischen" Raserei gegen Felsbrocken geschleudert. Es war, es ist und es bleibt: der reinste Horror. Es war uns sogar untersagt zu weinen. Könnt ihr das glauben? Ja, es ist passiert! Das ist der Preis den wir bezahlen mußten und noch immer zahlen - für die Befreiung des "Landes der aufgehenden Sonne"!

Und immer sorgen wir uns um unsere Männer und Kinder. Wir hoffen auf die Solidarität der Menschen und glauben an die Solidarität der Frauen in dieser Welt. Wir haben überlebt, und seit nahezu 20 Jahren halten wir diesen Kampf aufrecht und lebendig. Dies ist möglich, weil es einen nationalen Widerstand gibt gegen die Invasion und die militärische Besetzung. Von ausschlaggebender Bedeutung ist die internationale Unterstützung.

Wir appellieren an euch, als Frauen, als Mütter, als Schwestern und Ehefrauen, setzt euch ein in euren Ländern für die Würde und Freiheit der Menschen in Osttimor, für die Würde und Freiheit der Frauen in Osttimor. Tut dies mit all euren Möglichkeiten, mit eurer Kraft und Stärke. Ihr werdet Osttimor damit vor einer Katastrophe retten, denn das ist alles was von unserem Land übrigbleiben wird, wenn es nach dem Willen des indonesischen Militärs geht. Wenn ihr die Bedeutung einer Militärdiktatur im indonesischen kulturellen Kontext versteht, so wißt ihr, wovon ich rede.

An die indonesischen Teilnehmerinnen der Konferenz appelieren wir an ihre Courage und an ihre Würde: Indonesien sollte sich eingestehen, daß es einen großen Fehler gemacht hat, den Fehler seiner fünfzigjährigen Unabhängigkeit. Zwanzig Jahre von diesen fünfzig Jahren der Unabhängigkeit haben indonesische Soldaten OsttimoresInnen getötet unter Mißachtung der prinzipiellen Menschenrechte. Darunter das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, wie es selbst in der indonesischen Verfassung festgehalten ist, als Recht aller Menschen in der Welt, einschließlich natürlich der OsttimoresInnen. Für eine große Nation, die nach ihren Platz innerhalb der Gemeinschaft der zivilisierten Nationen in der Welt strebt, ist es an der Zeit "stopp" zu sagen zu dem Blutbad und Gemetzel in Osttimor an unschuldigen Menschen, deren einziges Verbrechen die Liebe zu ihrem Land ist. Es ist an der Zeit, daß ihr die "Quelle der Besonnenheit" seid, sagt euren Männern: "Respektiert Osttimor! Der beste Weg, dies zu tun, ist Osttimor zu verlassen. Es ist Zeit für Suharto, sich mit Xanana Gusmao an einen Tisch zu setzen und das Problem Osttimor lösen, ein für allemal. Und es wird Frieden geben, und wir werden gute Nachbarn sein. Ein große Nation zeichnet sich auch dadurch aus, daß sie Fehler zugeben kann und in der Lage ist, wieder auf den richtigen Weg zurückzufinden: und das ist zu sagen, Indonesien sollte Osttimor wieder verlassen.

Eure Männer, eure Kinder, eure Soldaten tun in Osttimor nichts anderes als unschuldige Menschen töten, unsere Kinder. Im Gegensatz zur offiziellen Rhetorik ist dies die nackte Realität. Erinnert euch an den 12. November 1991, an das Massaker von Santa Cruz! Die "Killing Fields" sind nicht länger in irgendeiner rauhen Berggegend. Für uns sind die Städte und Dörfer längst zu "Schlachtfeldern für die Freiheit" geworden; für euch bedeutet das, "Killings Fields" überall!

Jeder Lösung, die nicht auf der bedingungslosen Anerkennung unserer fundamentalen Rechte auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit beruht, kann keine Lösung sein.

Wir kämpfen für Menschlichkeit, Würde, Freiheit und Weiblichkeit.

Am 7. Dezember 1995 ist Osttimor 20 Jahre lang militärisch besetzt von Indonesien. Solange es in Osttimor keine Freiheit für jeden gibt, so lange wird unser Kampf fortgeführt werden. Das Leiden wird uns nicht entmutigen und vom Weg in die Freiheit abbringen. Frauen sind die Quelle des Lebens, Frauen sind Mütter und wir werden Leben schenken, und Freiheit und Würde.

Liebe Freundinnen, die ihr in Freiheit lebt in einer freien Welt, in Frieden mit euren Familien und in Würde mit eurer Arbeit, bitte vergeßt uns Frauen in Osttimor nicht, unsere Lage und unseren Kampf, und den Kampf unseres Volkes der "aus dem Land der aufgehenden Sonne", Rai Timor Loro Sae.

Im Namen der Frauen Osttimors

IRA LAFAI LIGHUR

 
 
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