Indonesien-Information Nr. 1, 1996 (West-Papua/Irian Jaya)

"Ich würde sie lieber in Asmat sehen"

Interview mit Ottis Simopiaref, General-Koordinator der OPM (Organisasi Papua Merdeka - West Papua Befreiungsbewegung).

Sie haben gerade die Ausstellung "Asmat - Mythos und Kunst im Umgang mit den Ahnen" besucht. Was meinen Sie zu der Ausstellung?

Es war das erste Mal in meinem Leben, daß ich eine so große Asmat-Kunst Ausstellung gesehen habe. Aber ich hatte gemischte Gefühle dabei: Es ist schön diese Dinge sehen zu können, aber eigentlich würde ich sie lieber in Asmat sehen ... . Als ich hineinging und die Statuen von Menschen und Tieren vor mir sah, war ich zuerst enttäuscht. Es hatte etwas von gebrochenem Herzen. Ein wenig später ging ich zurück zu den Statuen und betete zu ihnen - das war besser. Ich fühlte etwas tief in meiner Seele: Freiheit, Frieden und Ruhe. Es ist falsch den Asmat diese Statuen wegzunehmen. Sie verkörpern spirituelle Werte für die Menschen dort. Die großen Schnitzereien von Menschen und Tieren, die ich hier gesehen habe, sind ja Symbole der Inkarnationen der Ahnen - und nun haben wir sie hier, in Europa, und das bedeutet auch, daß die Asmat etwas verloren haben. Vielleicht ist ihnen das nicht einmal bewußt, vielleicht haben sie es einfach für Geld getan, vielleicht wollten sie etwas geben, um andere Menschen zu schützen (s.u., d.Ü.). Jedenfalls habe ich sehr gemischte Gefühle dabei.

Wie ist es mit den Stücken, die als moderne Schnitzereien bezeichnet werden - geht es Ihnen damit genauso?

Ich verstehe eigentlich gar nicht, warum sie modern genannt werden. Diese Dinge sind in sehr traditioneller Weise aus Holz gearbeitet. Sie (die Asmat d.Ü.) wissen nicht, wie moderne Kunst aussieht. Vor zwanzig oder dreißig Jahren drängten die Missionare die Leute, all diese Dinge zu verbrennen, weil so etwas gegen die Bibel und gegen das Christentum sei. Dann kamen die Anthropologen und waren gegen die Missionare. Sie sagten, diese Dinge seien sehr wichtig für die Kultur und wir müßten sie behalten. Jetzt arbeiten wiederum die Anthropologen für Museen und gehen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit den Statuen um. Jemand erzählte mir zum Beispiel, daß Suhartos Tochter eine große Asmat-Ausstellung organisiert hat. Was ist ihre Motivation dazu? Es geht nur um ökonomische Interessen, nicht um die Kultur der Völker von West-Papua. Ich glaube nicht, daß die indonesische Regierung, der Präsident oder seine Familie sich wirklich für die West-Papuas oder ihre Kultur interessieren. Sie tun so etwas, um zu zeigen, daß sie etwas für die Menschen tun wollen - aber in Wirklichkeit ist das nicht der Grund. Sie tun es aus wirtschaftlichem Interesse.

Im Ausstellungskatalog steht, daß die "modernen" Skulpturen zeigen, daß die Asmat sich erfolgreich von einer traditionellen zu einer modernen Gesellschaft gewandelt haben. Was halten Sie von dieser Aussage?

Vielleicht verwenden sie diese Bezeichnung, um die Skulpturen ins westliche Ausland zu bringen. Wie gesagt sehe ich keinen Unterschied zwischen den traditionellen und den sogenannten "modernen" Schnitzereien, keinen Einfluß der modernen Kunst. Der einzige Unterschied ist, daß sie verkauft werden. Früher haben wir diese Statuen verschenkt, um jemanden oder eine Familie gegen Krankheit oder böse Geister zu schützen. Eine andere Aussage ist, daß die "modernen" Stücke ausgefeilter und komplexer sind als die traditionellen Arbeiten. Ich bin mir nicht so sicher. Sehen Sie: in Indonesien wird primitiv gleichbedeutend mit zurückgeblieben verwendet - für uns dagegen hat es keine negative Bedeutung. Indem sie sie modern nennen, wollen sie sie besser machen als die alten Arbeiten. (...)

Denken Sie, die Schnitzkunst ist eine Chance für die Asmat mit ihren Problemen klarzukommen?

Natürlich brauchen sie Geld. Aber ihnen Geld zu geben und dafür diese Dinge fortzunehmen ist keine Hilfe. Es gäbe andere Wege, ihnen mit Geld zu helfen. Ich glaube auch, es wäre besser, den Leuten hier im Westen schriftliche Informationen über die Asmat zu geben, anstatt die Statuen dort wegzuholen. Ich wäre einverstanden, wenn andere Gegenstände ausgestellt würden - aber diese Skulpturen sind Symbole der Reinkarnation der Ahnen, davon sollten nur Photos hier gezeigt werden.

Was für Informationen haben Ihnen gefehlt?

Informationen über das politische System unter dem die Menschen dort leben. <>

Das Interview fand Ende November 1995 anläßlich des Besuches von Ottis Simopiaref in der Asmat-Ausstellung im Völkerkundemuseum Berlin statt.

 
 
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