Indonesien-Information Nr. 1, 1996 (Ost-Timor)

"Ahi Naklakan" - eine Kerze für Osttimor

Anfang November 1995 wies Indonesien eine Gruppe von AusländerInnen aus Osttimor aus, mit der Begründung, ihre Anwesenheit könnte die OsttimoresInnen zu Protestkundgebungen am vierten Jahrestag des Santa Cruz Massakers vom 12. November 1991 veranlassen, bei dem etwa 270 OsttimoresInnen ums Leben kamen.

Bei der Gruppe handelte es sich um ausländische AktivistInnen, die zu einer Pilgerreise nach Dili aufgebrochen waren, um einen Kranz im Gedenken an die Opfer niederzulegen. Es war außerdem geplant, in Osttimor eine Kerze zu entzünden, deren Licht herausgebracht werden sollte. Mit einem weltweiten, gleichzeitigen Entzünden von Kerzen sollte des vierten Jahrestages und der politischen Gefangenen in Indonesien gedacht werden.

Zu der Gruppe gehörten der irische Senator David Norris, die irische Europa-Parlamentarierin Patricia McKenna, Maori-Führer Naida Pou, der Aborigine-Dichter Lionel Fogerty, die Australier Paul Stewart (dessen Bruder zusammen mit vier anderen Journalisten bei der indonesischen Invasion Osttimors 1975 ermordet wurde) und Andrew McNaughtan, Daniel Botha aus Nambia, die Neuseeländerin Rev. Ann Batten, der japanische Bischof Aloisius Nobuo Soma, die Amerikaner Brian Brown und Reed Browdy, der Generalsekretär der Asien-Stiftung Jürgen Meier aus der Bundesrepublik, der Ehrwürdige Semdech Preah Maha Ghosananda aus Kambodscha und aus den Philippinen Professorin Myrnade Arceo, Maria Suplido und Ceres P. Doyo sowie aus Indonesien Abdurrachman Wahid (Führer der größten muslimischen Organisation Indonesiens, Nahdlatul Ulama) und Menschenrechtsanwalt Poncke Princen. Auch einige Journalisten wie Hugh O'Shaunessy vom London Observer, Wilson da Silva vom Melbourne Sunday Age und John McGregor von The Australian waren nach Osttimor gereist.

"Es illustriert sehr deutlich, welche Angst die Indonesier davor haben, daß die Leutesehen, was in diesem Gebiet vor sich geht. Es wird die schlimmsten Befürchtungen der Welt draußen bestätigen, jetzt, da der vierte Jahrestag der Santa Cruz Morde näherrückt", meinte Hugh O'Shaunessy, der nach einem Streit mit einem Immigrationsbeamten aus Osttimor ausgewiesen wurde. Neun der Pilgerreisenden befanden sich bereits auf dem Flug von Surabaya nach Dili, als sie in Denpasar aufgefordert wurden, das Flugzeug zu verlassen, mit der Erklärung, daß Osttimor am selben Tag offiziell für AusländerInnen gesperrt worden war. Sie sollten sich in Dili mit einer zweiten Gruppe treffen, der bereits vorher die Einreise nach Osttimor gelungen war. Fünf von ihnen konnten auf den Fatumaca-Hügel in Dili steigen und am Fuße der zweitgrößten Christusstatue der Welt Kerzen anzünden bevor sie aus dem Gebiet ausgewiesen wurden.

Der indonesische Verteidigungsminister General Edi Sudrajat verurteilte die Motive der Pilgerreisenden mit dem Kommentar: "Es bedeutete, daß sie sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen. Wir können niemanden tolerieren, der unsere Integrität und unsere Stabilität untergräbt."

Statement der "Ahi Naklakan"-Pilger

"Wir sind Friedenspilger. Wir sind zusammen nach Osttimor gereist, um einen Kranz niederzulegen und für die Opfer des Dili-Massakers 1991 zu beten und auch für alle, die durch die 20jährige Besetzung dieser liebenswerten Nation durch die indonesischen Streitkräfte getötet oder zerstört wurden. Wir gingen in Frieden und wir kommen in Frieden, und bestätigen somit unser Engagement für eine friedliche und ehrenvolle Lösung der Uneinigkeiten in diesem streitgeplagten Land.

Denn der Frieden ist in Osttimor selten. Und die Menschen dort leben weiterhin in einer Atmosphäre der Gewalt. Vor kurzem wurden junge TimoresInnen gemeinsam verhaftet und, wie schon früher, hat man von einigen nie wieder etwas gehört. Das kommt noch hinzu zu der Tragödie, unter der praktisch jede osttimoresische Familie zu leiden hat, die Verwandte oder FreundInnen verloren haben, seit Suhartos Streitkräfte 1975 eingefallen sind. Noch ungeheuerlicher ist jedoch, daß das Suharto-Regime versucht noch mehr Uneinigkeit zu sähen, indem behauptet wird, daß es sich bei den die neuesten Unruhen um religiöse Konflikte handelt.

Das ist eine offenkundige und verzweifelte Lüge. Unsere Gruppe umfaßt auch einen respektierten indonesischen Moslem-Führer. Wir haben alle gesehen, daß das Problem nicht ethnischen oder religiösen Ursprung hat, sondern in einer kompletten Mißachtung des grundlegenden Menschenrechtes der OsttimoresInnen, den Verlauf ihres eigenen Lebens zu bestimmen.

Eine immer größer werdende Gruppe von IndonesierInnen finden, wenn auch etwas verspätet, diese Wahrheit heraus. Als wir der Toten auf dem Santa Cruz-Friedhof gedachten, beteten wir gleichzeitig für die Lebenden.

Wir beteten, daß diejenigen, die weiterhin für den Frieden kämpfen, auch weiterhin Kraft aus der historischen Unumgänglichkeit der Gerechtigkeit ziehen werden.

Wir beteten dafür, daß die Regierungen, vor allem in der Region, die bisher zu dem zwei Jahrzehnte dauernden Völkermord brüderlich geschwiegen haben, endlich ihre stille Komplizenschaft aufgeben und ihren Einfluß dazu verwenden, für eine friedliche Lösung des Konfliktes zu vermitteln. Wir haben ebenso für das indonesische Volk gebetet, das den Kampf für die eigene Freiheit fortsetzt.

Und so wie wir beteten, haben wir heute auch ein loderndes Friedenslicht, das Ahi Naklakan, aus Osttimor herausgebracht. Und während wir sprechen, wird dieses Licht gleichzeitig auf der ganzen Welt bis zum 10. Dezember, dem Menschenrechtstag, brennen. OsttimoresInnen im Exil, ihre FreundInnen und UnterstützerInnen werden Lampen und Kerzen anzünden und einige werden sie vor indonesischen Botschaften, Konsulaten, vor Kirchen und in Parks aufstellen.

Ahi Naklakan soll brennen, bis Suharto alle politischen Gefangenen freiläßt; bis er die Genfer Protokolle über den Konflikt anerkennt und internationalen Menschenrechtsgruppen und den Vereinten Nationen erlaubt, permanente Aufsichtsbüros in Osttimor einzurichten.

Diese bescheidenen Forderungen der OsttimoresInnen könnten, wenn die Reaktion darauf positiv ist, zum ersten Schritt im Heilungsprozeß werden, auf der Suche nach einem dauernden und echten Frieden.

Hoffentlich wird Ahi Naklakan weiterhin in all den dunklen Ecken dieser Welt und für immer in der Tiefe unserer Herzen scheinen."

"Seid sicher, daß wir von Eurem Kampf wissen"

Solidaritätsnachrichten schickten anläßlich der Pilgerfahrt auch die nordirische Friedensnobelpreisträgerin Maired Maguire und Bono, Sänger der Band U2.

Maired Maguire: "Ich bedaure sehr, daß ich nicht bei Ihnen sein kann zum diesjährigen Gedenken an das Dili-Massaker. Unglücklicherweise habe ich vorrangige Verpflichtungen. Daß die Überreste derjenigen, die getötet wurden, nicht zurückgegeben wurden, ist nur eine unter vielen Ungerechtigkeiten, die unser geliebtes Osttimor zu ertragen hat. An diesem vierten Jahrestag der Morde auf dem Santa Cruz Friedhof sind meine Gedanken und Sympathien bei Ihnen allen. Ich kann Ihnen versichern, daß an jedem Tag, der vergeht, die Welt immer mehr aufwacht gegenüber der Situation des Maubere-Volkes.

Hier in Nordirland und in ganz Irland stehen viele Menschen zu ihnen in ihrem Kampf für Frieden und Gerechtigkeit. Ich freue mich darauf, auch in der Zukunft mit Ihnen zu arbeiten, um sicherzustellen, daß die Welt die Notlage der OsttimoresInnen nicht vergißt."

Bono, U2: "In meinem eigenen Namen und im Namen der Band U2, im Namen der meisten SchriftstellerInnen und PoetInnen, der meisten MusikerInnen, FilmemacherInnen und KünstlerInnen sowohl hier in Irland als auch auf der ganzen Welt: Seid sicher, daß wir von Eurem Kampf wissen, und selbst, wenn wir Euch nicht selbst treffen können, wißt, daß wir von Euch gehört haben und auch wenn wir nichts von Euch hören, sind unsere Gedanken trotzdem bei Euch... immer mehr...

Solidaritätskundgebungen

In vielen Ländern der Welt wurde die Aktion in Osttimor begleitet von Gedenkveranstaltungen für die Opfer von Santa Cruz. In Los Angeles war vom East Timor Alert Network (ETAN) eine Trauerprozession zum Indonesischen Konsulat organisiert worden. 35-40 Menschen begleiteten einen Sarg mit brennenden Kerzen zur offiziellen Residenz des Generalkonsuls. In San Franzisco waren 16 DemonstrantInnen vor der Indonesischen Botschaft verhaftet worden, als sie versuchten über den Zaun der Botschaft zu klettern, um dem Indonesischen Generalkonsul einen Brief zu überreichen.

Auch in Jakarta war zum erstenmal zu Gedenkfeiern aufgerufen worden, an denen etwa 90 Menschen teilnahmen, trotz schwerer Drohungen des Armeestabschefs Hartono. OrganisatorInnen der 30minütigen Gedenkfeier auf dem Kampus der Universität von Indonesien, an der auch der Vorsitzende der Demokratischen Volksunion (PRD) und Haji Princen (Direktor des Instituts für Menschenrechte) teilnahmen, waren die Indonesian People in Solidarity with the Maubere People (SPRIM).

Über 20 Timoresen kletterten über den Zaun der japanischen Botschaft in Jakarta und baten um Asyl in Japan. (Nur kurze Zeit vorher waren timoresische Jugendliche in die britische und die niederländische Botschaft geflüchtet und hatten um Asyl gebeten.)

Vor der indonesischen Botschaft in Ottawa protestierten etwa 300 Menschen. Sie trugen über 200 Kreuze mit den Namen der Ermordeten des Santa Cruz Massakers. Die Protestkundgebungen waren von ETAN (Kanada) organisiert worden. <>

 
 
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