Suara Nr. 1/2007 (Außenpolitik)

 

Australischer Kniefall vor Indonesien oder Formalisierung bereits bestehender Kooperation?

Was bringt das neue indonesisch-australische Sicherheitsabkommen?

von Petra Stockmann


„Der neue Vertrag zwischen Australien und Indonesien liest sich wie eine indonesische Wunschliste, der Australien gehorsam zugestimmt hat“, urteilt Damien Kingsbury von der australischen Deakin University. Ganz anders sein Kollege Tim Lindsey von der University of Melbourne, der in dem Vertrag im wesentlichen eine Reflektion der bestehenden Beziehungen zwischen beiden Staaten sieht.

Der im November 2006 unterzeichnete Vertrag hat starke Proteste hervorgerufen, besonders von NGOs, australischen Oppositionellen und Papua-Solidaritätsgruppen. Die Hauptkritik richtet sich dabei gegen folgende Punkte: die wechselseitige Verpflichtung, keine Aktivitäten zu unterstützen, die die  Souveränität oder die territoriale Integrität des anderen Staates gefährden, wobei explizit separatistische Aktivitäten eingeschlossen werden; stärkere Kooperation des Militärs, der Polizei und der Geheimdienste; mehr Zusammenarbeit im Bereich der Nukleartechnologie.

Der erst genannte Punkt zielt dabei wohl weniger auf Exil-Aboriginies ab, die auf Bali eine Sezessionskampagne führen könnten, oder auf mögliche Unterstützergruppen für so illustre Figuren wie Prinz Leonard, der für sich in Anspruch nimmt, sich mitsamt seiner Farm von Australien abgespalten zu haben. Nein, natürlich bezieht sich der Separatismusparagraph auf Papua, auch wenn dies so nicht wortwörtlich in dem Vertrag steht. Wie blank die Nerven in indonesischen politischen Kreisen derzeit liegen, sobald es um die östlichste Provinz geht, wurde ja zu Beginn des Jahres 2006 mehr als deutlich, als die indonesische Regierung den Botschafter abzog und die Beziehungen auf Eis legte, nachdem australische Behörden 42 Papua Asyl gewährt hatten. Es ist nur ein Zwischenfall, der zeigt, wie empfindlich politisch Verantwortliche in Indonesien auf jede Handlung ausländischer Organisationen und Institutionen (über-)reagieren, die sie als Unterstützung für eine Unabhängigkeit Papuas deuten. Derartige Empfindlichkeiten und weitergehende Verschwörungstheorien waren auf ihrem Höhepunkt, nachdem Australien im September 1999 den Einsatz der internationalen Truppen in Osttimor leitete. Ausgerechnet Australien! – war dies doch der einzige Staat gewesen, der offiziell die indonesische Herrschaft über Osttimor anerkannt hatte. Als die australischen Truppen Kurs auf Osttimor nahmen, war dies dann auch für Indonesien Anlass genug, um den Vorgänger des jetzigen bilateralen Sicherheitsabkommens aus dem Jahre 1995 in den Papierkorb zu befördern.

Der besagte Separatismusparagraph heißt im Wortlaut: „Im Einklang mit ihren jeweiligen innerstaatlichen Gesetzen und internationalen Verpflichtungen sollen die Vertragsparteien in keiner Weise Aktivitäten von Personen oder Entitäten unterstützen oder an diesen teilnehmen, die eine Gefahr für die Stabilität, Souveränität oder territoriale Integrität der anderen Vertragspartei darstellen, einschließlich derjenigen, die darauf abzielen, ihr Territorium dazu zu gebrauchen, zu solchen Aktivitäten, einschließlich Separatismus, auf dem Territorium der anderen Vertragspartei zu ermuntern oder selbige zu begehen.“

Kann die indonesische Seite nun daraus ableiten, dies sei ein vertraglicher Garant, dass in Australien künftig jedwede Aktionen und Äußerungen unterbunden werden, die die Unabhängigkeit Papuas zum Thema haben, sei es von Exilpapua oder von australischen Soligruppen? Nach Vertragsunterzeichnung machte der australische Verteidigungsminister Nelson deutlich, dass dies keinesfalls seine Lesart des Vertrages sei: „Wenn Leute in unserem Land sind und ihre Meinung rechtmäßig ausdrücken, werden wir sie natürlich nicht davon abhalten.“ Eine derartige Einschränkung der Rede- und Meinungsfreiheit, besonders wenn es sich bei den möglichen Betroffenen um australische Staatsbürgerinnen und -bürger handelt, würde sicherlich u.a. auch Australiens internationalen Verpflichtungen, auf die im Vertrag ja einschränkend verwiesen wird, zuwider laufen. Der zitierte Paragraph besagt nur, was auch von Nelson unterstrichen wurde, dass die australische Regierung separatistische Gruppen nicht unterstützen oder gar selbst Maßnahmen in Richtung auf eine Unabhängigkeit Papuas ergreifen wird. Aber hat eine australische Regierung dies jemals getan – außer in Verschwörungsphantasien bestimmter Kreise in Indonesien?

Ein anderes Thema ist, wie Australien in Zukunft mit Flüchtlingen und möglichen Besuchern aus Papua umgehen wird. Nach der heftigen Reaktion Indonesiens auf die Aufnahme der 42 Papua trieb die Howard-Administration einen Gesetzentwurf zur Verschärfung von Asylverfahren voran. Nach massiven Protesten gegen ihr Vorhaben, auf Booten ankommende Flüchtlinge für die Bearbeitung ihrer Anträge in „detention centres“ außerhalb Australiens zu verlagern, zog die Regierung angesichts einer drohenden Abstimmungsniederlage im Senat den Gesetzentwurf schließlich zurück. Im Dezember 2006 wurde einer Tanzgruppe aus Papua Einreisevisa verweigert. Die Gruppe wurde in der Presse als erstes Opfer des Sicherheitsabkommens bezeichnet, ein Vorwurf, der von den Einwanderungsbehörden prompt zurückgewiesen wurde. Es bleibt Spekulation, ob hier tatsächlich auf Verwaltungsebene der Versuch unternommen wurde, auf indonesische Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass mit der Einreiseverweigerung auf jeden Fall ein eben solches Signal in Richtung Jakarta gesandt wurde.

Stärkung der Kooperation im Sicherheitsbereich

Der Vertrag beinhaltet die Absicht, die Kooperation in den Bereichen Militär, Polizei, Terrorismusabwehr, Geheimdienste, maritime und Luftsicherheit sowie Katastrophenreaktion zu stärken. Die Kooperation im Bereich der Sicherheitskräfte beider Staaten war Ende der 1990er Jahre unterbrochen worden. Aber nach den verheerenden Bali-Attentaten im Oktober 2002, denen auch 88 Australier zum Opfer fielen, wurde diese sukzessive wieder aufgenommen. Australische Bundespolizei arbeitete mit den indonesischen Kollegen nicht nur bei der Aufklärung dieser Verbrechen zusammen, sondern ebenso nach dem Anschlag auf die australische Botschaft in Jakarta zwei Jahre später sowie bei den erneuten Attentaten auf Bali 2005. Kooperiert wurde dabei auch im Bereich geheimdienstlicher Erkenntnisse. Seit 2002 hat Australien Indonesien finanziell und technisch in Sachen Terrorismusabwehr unterstützt. 2004 wurde das Jakarta Centre for Law Enforcement Cooperation eröffnet. Das Jakarta Centre ist eine indonesisch-australische Initiative und wird von Australien mit rund 40 Millionen Dollar mitfinanziert. Australische Polizisten und internationale Experten bilden dort indonesische Polizeikräfte und Kollegen aus anderen Ländern der Region in Terrorismusabwehr weiter.

Und auch die militärische Kooperation wurde schon recht bald wieder in die Wege geleitet. Besonders harsche Kritik erfuhren dabei die Pläne, die berüchtigten indonesischen Kopassus-Sondereinheiten, die für viele schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden, fortzubilden. Was die australische Regierung jedoch nicht von ihrem Vorhaben abhalten konnte. „In dieser Ära erhöhter terroristischer Gefahren ist es im Interesse Australiens, mit regionalen Sondereinheiten wie Kopassus zusammenzuarbeiten, um das Leben von Australiern zu sichern“, rechtfertigte dies der damalige australische Verteidigungsminister Hill. Die von Hill ob ihrer Fähigkeiten in Einsätzen bei Entführung und Geiselnahme gelobte Kopassuseinheit 81 absolvierte Anfang 2006 eine zehntägige Übung mit australischen Kollegen vom Special Air Service Regiment.

Statt die berüchtigten Kopassus-Truppen fortzubilden, könnte Australien sich hingegen auch im Bereich Sicherheitssektorreform in Indonesien engagieren. Der Vertrag, dessen Formulierungen in weiten Teilen so allgemein gehalten sind, dass sie viel Interpretationsspielraum lassen, sieht u.a. auch die Förderung von capacity building in Institutionen des Verteidigungssektors und in der Armee vor. Indem Australien zum Beispiel das Bemühen um mehr Transparenz im Militärhaushalt unterstützt, könnte es – durchaus auch im Rahmen des umstrittenen Sicherheitsabkommens – einen Beitrag zur weiteren Demokratisierung Indonesiens leisten.

Nun doch australisches Uran für indonesische Kernkraftwerke?

Schon vor zehn Jahren hatte ein Mitglied der damaligen Howard-Administration vorgeschlagen, künftige indonesische Kernkraftwerke mit Uran aus Australiens reichhaltigen Reserven – immerhin 40% der weltweiten Vorkommen – zu bestücken. Wie heute stieß das Ansinnen schon damals auf massive Kritik. Indonesiens geologische Lage auf dem sog. Pazifischen Feuergürtel hat sich seitdem nicht verändert. Es bleibt überaus gefährlich, in einem Land, das so erdbebengefährdet ist wie Indonesien, Atomreaktoren zu bauen. Nichtsdestotrotz schreitet man auf dem Archipel mit großen Schritten auf das Nuklearzeitalter zu. Keine Regierung sollte sich von wirtschaftlichen Interessen so blenden lassen, dass sie dieses gefährliche Vorhaben unterstützt. Von Seiten der politisch Verantwortlichen in Australien ist es umso weniger verständlich, da im Falle eines Unglücks die australische Bevölkerung schnell zu den Leidtragenden gehören könnte.

Zusammengefasst: die politische Linie, die in dem australisch-indonesischen Sicherheitsabkommen formalisiert wurde, ist keineswegs neu. Kritikwürdig bleiben nach wie vor all jene Aspekte der Kooperation zwischen den beiden Staaten, die negative Folgen für die Einhaltung der Menschenrechte und für den Schutz der Umwelt haben – mit oder ohne schriftliche Fixierung.<>
 

Agreement between the Republic of Indonesia and Australia on the Framework for Security Cooperation:
http://www.dfat.gov.au/geo/indonesia/ind-aus-sec06.html
 
 

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