Indonesien-Information Nr. 1/2004 (Pressefreiheit)

 

„Wir müssen endlich das Presserecht anwenden“

Interview mit Bambang Harymurti *


Watch Indonesia!: Seit 1999 galt die indonesische Presse als eine der freiesten in Asien. Warum gibt es seit einigen Monaten derart dramatische Einschränkungen?

Bambang Harymurti: Das liegt an der Reformmüdigkeit, die einen Teil der Gesellschaft erfasst hat. Und daran, dass Präsidentin Megawati selbst über die „zu freien Medien“ klagt. Außerdem sind unsere Wirtschaftsbosse mit zwei großen Ereignissen konfrontiert: Die Schließung der Treuhandbehörde (IBRA) und die Wahlen. So kurz vor den Wahlen haben viele Geschäftsleute natürlich Angst davor, dass die Medien ihre fragwürdige Vergangenheit oder ihre Verstrickungen mit der Politik zum Thema machen könnten. Viele große Schuldner versuchten bei IBRA, mit Bestechungsgeldern von ihren fälligen Rückzahlungen an unseren Staat befreit zu werden, bevor IBRA im Februar dicht machte.

Tomy Winata hat Sie und Tempo wegen Verleumdung verklagt. Würden Sie die Artikel, um die es ging, heute noch genau so veröffentlichen?

Ja.

Was würde eine Bestätigung des Urteils vom 20. Januar oder ähnliche Urteile für die finanzielle Situation der Tempo-Gruppe bedeuten?

Sie würde den Bankrott für Tempo bedeuten.

Tempo hat ihrerseits Tomy Winata wegen Verletzung der Pressefreiheit geklagt. Wie haben die Gerichte entschieden?

Eine unserer Klagen wurde vom Bezirksgericht Süd-Jakarta abgewiesen. Andere werden noch verhandelt.

Es scheint, als könnten Journalisten froh sein, wenn ihr Fall nicht vorm Bezirksgericht Süd-Jakarta verhandelt wird.

Fast alle Klagen, die Geschäftsleute involvieren, landen dort, weil im Süden Jakartas die Büros der großen Konzerne registriert sind.

Indonesischen Medien wird häufiger unseriöse Berichterstattung vorgeworfen. Wo ist Pressefreiheit überstrapaziert worden?

Dass Manche über die Stränge schlagen, war zu erwarten. Die indonesische Presse lernt schließlich erst seit kurzem, wie sie ihre Freiheit verantwortungsvoll einsetzt. Unser Presserecht hat jedoch wirksame Gesetze, um Verantwortungslosigkeit zu ahnden. Wir müssten es nur endlich anwenden.

Als AJI – die Allianz unabängiger Journalisten – ihren Fall gewann und die Richter urteilten, die Polizei in Jakarta sei ihrer Dienstpflicht [die Überfälle auf die Tempo-Redaktion zu verhindern] nicht nachgekommen, schrieb das Magazin Tempo nette kleine Portraits über die Richter. Ist das der richtige Weg, über einen Fall zu berichten, in den man selbst involviert ist?

Ich glaube schon. Die meisten ehrlichen Richter bei uns führen ein sehr bescheidenes Dasein, während ihre korrupten Kollegen in Saus und Braus leben. Den Ehrlichen öffentliche Anerkennung zu bieten, ist eine Art, diese Ungerechtigkeit auszugleichen

Verhalten sich die Journalistenkollegen solidarisch?

Ich hatte nicht viel erwartet. Sie brauchen sich ja nur die Besitzer der großen Medien in Indonesien, vor allem der Fernsehsender, anzuschauen. Davon ausgehend, muss man über das Maß an Solidarität schon glücklich sein.

Im Tempo-Magazin vom 27. Januar war ein Artikel über die Möglichkeiten außergerichtlicher Einigung zu lesen. Sollte das ein Wink für Tomy Winata sein, vielleicht lieber diesen Weg zu gehen?

Nein. Es sollte eher ein Wink an die Richter sein und an den Presserat, den Erlass des Obersten Gerichtshofes Nr. 2/2003 umzusetzen. Dieser weist Richter an, die Konfliktparteien zunächst an Schlichtungsstellen zu verweisen. Der Oberste Gerichtshof wollte damit eine Verringerung von vor Gericht ausgetragenen Fällen erreichen. In meinen Augen wäre der Presserat die ideale Institution, um bei Beschwerden gegen den Missbrauch von Pressefreiheit zu vermitteln.

Der wegen Veruntreuung von 4,8 Millionen US$ verurteilte Parlamentspräsident Akbar Tandjung wurde kürzlich vom Obersten Gerichtshof frei gesprochen. Wie beurteilen sie die verhängten Strafen gegen Rakyat Merdeka und Tempo vor diesem Hintergrund?

Ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich hoffe nur noch das Beste. <>
 
 

* Bambang Harymurti ist der Chefredakteur von Koran Tempo und dem Magazin Tempo. Er muss sich derzeit im Zusammenhang mit mehreren Verleumdungsklagen vor Gericht verantworten. Das Gespräch führte Anett Keller.
 
 

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