Indonesien-Information Nr. 1/2004 (Aceh)

 

Die aktuelle Lage in Aceh

von Alex Flor


NNur wenige zuverlässige Informationen sind derzeit aus Aceh erhältlich. Regelmäßige Nachrichten werden nur von den beiden Konfliktparteien TNI (das indonesische Militär) und GAM (Bewegung Freies Aceh) verbreitet. Sie dienen der Kriegspropaganda der jeweiligen Seite und sind nur in wenigen Fällen nachprüfbar – wobei sich des öfteren herausstellt, dass es sich um Falschmeldungen handelt. Vor Ort ansässige Nichtregierungsorganisationen können unter den aktuellen Bedingungen kaum noch ihrer Arbeit nachgehen, und wenn doch, so dringen deren Informationen nicht mehr nach draußen. Unabhängigen ausländischen Beobachtern, sei es von internationalen Organisationen oder von den Medien ist der Zugang nach Aceh weit gehend unmöglich.

Anfang November 2003 hat Indonesien erwartungsgemäß den im Mai verhängten militärischen Ausnahmezustand um zunächst weitere sechs Monate verlängert. Von Seiten der EU, der USA und Japans geäußerte Kritik wurde von Indonesien als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ scharf zurückgewiesen. Immerhin gestatteten die Behörden aber Anfang Dezember dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und einigen anderen internationalen Organisationen wieder den Zugang nach Aceh – ein Zeichen, dass Stimmen aus dem Ausland zumindest nicht auf völlig taube Ohren stoßen.

Genau sechs Monate nach seiner Gefangennahme durch die GAM kam der Journalist des Fernsehsenders RCTI am 29. Dezember 2003 bei einem Schusswechsel zwischen der TNI und den Geiselnehmern ums Leben. Offizielle Stellen der TNI bestätigten, dass Siregar durch eine Kugel der TNI getötet wurde.

Zum Jahreswechsel gab die Polizei in Aceh bekannt, dass seit Beginn des Ausnahmezustandes im Mai ca. 500 Zivilisten getötet wurden. Unmittelbar danach mussten in Peureulak, Ostaceh, neun Besucher einer Silvester-Konzertveranstaltung ihr Leben lassen. Sie wurden getötet, als eine unter der Bühne versteckte Bombe explodierte. 46 Menschen wurden verletzt.

Im Januar weist das Oberlandesgericht die Berufung von fünf ehemaligen Unterhändlern der GAM ab, die in erster Instanz wegen „Hochverrats“ zu hohen Haftstrafen zwischen 12 und 15 Jahren verurteilt worden waren. Auch das Urteil über die Frauenaktivistin Cut Nur Asyikin, erstinstanzlich zu 11 Jahren Haft verurteilt, wurde von der Berufungsinstanz bestätigt.

Am 19. Januar meldet die Jakarta Post die Bildung neuer Bürgermilizen, die sich zum Kampf gegen die GAM formierten. Das Militär billigt deren Bildung. Justiz- und Menschenrechtsminister Yusril Mahendra gibt zur selben Zeit bekannt, dass 143 Gefangene aus Acehs überfüllten Gefängnissen auf die Gefängnisinsel Nusakambangan in Zentraljava verlegt werden sollen.Am 26. Januar wird die Verlegung weiterer 89 Gefangener bekannt gegeben. Angehörige protestieren gegen die Verlegung, die ihnen Besuche praktisch unmöglich macht.

Das IKRK erklärt Ende Januar seine Vermittlungsbemühungen zur Freilassung von Geiseln als beendet. „Unsere Aufgabe war es den Austausch von Nachrichten zu ermöglichen, aber wir mussten feststellen, dass keine Seite den Willen zeigte, zu einer Übereinkunft zu kommen.“ Die Erklärung wird von Beobachtern als Blankoscheck für eine militärische Geiselbefreiung gewertet. Einen Tag später gelingt es der TNI, zwei zusammen mit dem getöteten Ersa Siregar gefangen genommene Frauen aus den Händen der GAM zu befreien. Von Kameramann Ferry Santoso fehlt dagegen nach wie vor jede Spur.

Mitte Februar eröffnet die Staatsanwaltschaft in Schweden auf heftigen Druck Indonesiens hin ein formelles Ermittlungsverfahren gegen die im schwedischen Exil lebende Führerschaft der GAM.

Ein Ende des Konfliktes in Aceh durch militärischen Sieg oder Niederlage scheint ausgeschlossen. Eine politische Lösung vor Abschluss der Präsidentschaftswahlen ist ebenfalls utopisch. So wird zumindest bis Oktober das Töten seinen ungebremsten Fortgang nehmen. <>
 
 

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