Indonesien-Information Nr. 1/2 2000 (Militär)

Ein Schauspiel besonderer Art: der Präsident gegen den General.

Politisches Schattentheater in Indonesien.

von Ingo Wandelt

Die Kräfte des Bösen sieht er am Werk. Sie ziehen die Fäden der blutigen Ausschreitungen, die Indonesien über die letzten Monate nicht zur Ruhe kommen lassen, und knüpfen ein Netz, in dem er, Abdurrahman Wahid, Präsident Indonesiens, sich verfangen und darüber stürzen soll. Die Personalisierung des Bösen heißt Wiranto.

Seinen zweitätigen Besuch in der Bundesrepublik im Rahmen einer zweiwöchigen Rundreise in dreizehn Staaten Anfang des Jahres nutzte Wahid dazu, einen möglichen Putsch von Teilen der Streitkräfte als unwahrscheinlich einzustufen. Tags zuvor hatte er in Den Haag noch vor einem Putsch gewarnt. Anlass dazu war seine zu Reisebeginn ausgesprochene Aufforderung an General Wiranto als Minister zurückzutreten wegen der aufgrund der Beschuldigungen im zeitgleich veröffentlichten Bericht der nationalen Untersuchungskommission zu den Menschenrechtsverletzungen, an den Verwüstung Ost-Timors nach dem Unabhängigkeitsreferendum vom 30. August 1999 führend verantwortlich zu sein. Wiranto hatte Wahids Aufforderung demonstrativ nicht zur Kenntnis genommen, als er tags drauf an einer Kabinettsitzung in Jakarta teilgenommen hatte, als sei nichts geschehen.

Kommt ein Putsch, oder kommt er nicht? Das Thema beschäftigt Indonesien seit mehr als einem Monat. Präsident Wahid nutzt es auf seine Weise für seinen Machtkampf mit den renitenten Militärs, wobei er Bilder des javanischen Schattenspiels Wayang nicht nur bemüht, sondern selbst handelt wie ein puppenhafter Akteur und Vertreter der guten Seite in einem Spiel gegen schattenhafte Kräfte, die blutig gegen ihn agieren und das Land zu ihrer Bühne verkommen lassen.

Wahid spielt mit den Tatsachen, die keiner wirklich kennt. Er gibt sich sybillinisch. Natürlich kenne er die Namen der Putschwilligen! Zum Beleg offeriert er ihre Initialen, hüllt sich dann in wissendes Schweigen. In einem Spiel, das keinen Schiedsrichter kennt, gelten Täuschung und Tarnung sehr viel.

Die Bühne und die Protagonisten

Abdurrahman Wahid, mit seinem Rufnahmen Gus Dur, ist seit dem 20. Oktober 1999 Präsident Indonesiens. Er stützte sich bis August 2000 parlamentarisch auf eine breite, aber zunehmend brüchiger werdende Koalition eines breiten Parteienspektrums, das von der PDI-P der Vizepräsidentin Megawati Sukarnopurti über Gus Durs NU bis zu den modernistischen Islamparteien der sogenannten Mittelachse reicht. Letzteren verdankt er seine Wahl gegen die Wahlsiegerin Megawati, letztere wandten sich aber verstärkt gegen ihn, weil er in ihren Augen die Ziele des indonesischen Islams unzureichend vertritt. Sie stoßen sich am fehlenden Konfliktmanagement Wahids zu Ambon.

Der Viersterne-General Wiranto hielt im Kabinett Wahid den Posten des Koordinierungsministers für Politik und Sicherheit. Noch steht er im aktiven militärischen Dienst, seine Dienstzeit wird jedoch in zwei Jahren bei Erreichen seines fünfundfünfzigsten Lebensjahres auslaufen. Als Minister verfügte er über keine Kommandobefugnisse über Truppen. Dennoch werden ihm die Loyalitäten vieler hochrangiger Offiziere, vor allem aus den Sondereinheiten Kostrad und Kopassus glaubhaft nachgesagt. Als typischer militärischer Bapak oder väterlicher Führer hat er in seiner Dienstzeit einen Kreis von ihm treu ergebenen Heerführern herangezogen, was ihm eine wichtige, vielleicht die wichtigste militärische Position in Indonesien zuweist. Das unsichtbare Netz seiner Beziehungen sind Wirantos Macht, weniger seine inzwischen verlorene Position. In Indonesien setzen Menschen, und nicht Ämter und Funktionen die Prozesse in Gang.

Wiranto konsolidierte die nach dem Rücktritt ihres Oberbefehlshabers Suharto orientierungslose Nationale Armee Indonesiens (TNI) mit der Ausrichtung auf die im September 1998 bestimmtenVier Neuen Paradigmen. Die Streitkräfte akzeptieren die parlamentarische Demokratie des Landes, verstehen sich jedoch als weitestgehend vom staatlichen, also regierungsamtlichen Einfluss unabhängig. Präsident B.J. Habibie akzeptierte diese selbstbestimmte Position der TNI, machte sich dadurch jedoch verstärkt von Wiranto abhängig. Ihre gegensätzlichen Absichten zum Referendum für Ost-Timor ein Jahr darauf führten zur Verwüstung dieses Landes.

Gus Dur hat ebenso wenig wie die Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri diese Rolle der TNI akzeptiert. Das Kabinett Wahid-Megawati konnte zwar einige Pflöcke in die Phalanx der Armeeführung schlagen, musste jedoch Wiranto auf einem hohen Kabinettsposten akzeptieren. Der Präsident machte aktiv, wenn auch vorsichtig von seinem Recht der Ernennung militärischer Kommandeure Gebrauch und geriet damit zwangsläufig in Konflikt mit Wiranto.

Die Schatten und die Schauplätze: Ost-Timor

Zwischen Jakarta, dem Zentrum der Macht Indonesiens, und Ost-Timor und Ambon liegen zweitausend Kilometer. Im politischen Schattenspiel Indonesiens liegen sie nahe beisammen.

Ost-Timor war die erste große Niederlage der indonesischen Streitkräfte. Wiranto verstand es, die nationale Schmach der Loslösung Ost-Timors auf Habibie zu lenken und sich unbelastet zu halten. Seine stets zur Schau getragene distanzierte Haltung zur systematisch betriebenen Verwüstung des Landes durch Milizen und seine Truppen, denen er damals als Armeebefehlshaber vorstand, denen er aber niemals Befehle gegeben haben wollte, wird heute sowohl von der nationalen indonesischen Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Ost-Timor wie auch von der UN-Menschenrechtskommission als unglaubwürdig abgelehnt. Wiranto wurde in den Ende Januar veröffentlichten Berichten beider Institutionen als der höchstrangig für die Vernichtung Ost-Timors Verantwortliche benannt. Erstmalig in der Geschichte der indonesischen Armee wurde der oberste Befehlshaber und viele seiner Offiziere der willentlichen Menschenrechtsverletzungen beschuldigt. Das hat ihn jedoch in den Augen der TNI nicht unbedingt zu schwächen. Der Ehrenkodex der sich streng national verstehenden und intern noch nicht demokratisierten Streitkräfte kann eine solche Beschuldigung ihres Kommandeurs nur als ungerechtfertigte und bösartige Verleumdung verstehen. Die Zahl der Offiziere, die sich wie der ehemalige Chef des Wehrbereichs Sulawesi und später kurzzeitig zum Chef von Kostrad ernannte, Agus Wirahadikusuma, offen und mutig zum Primat des Rechts über Staat und Streitkräfte bekennen und für eine totale Reform der TNI eintreten, ist noch gering. Noch lassen die Beschuldigungen die hartnäckig ihre Schuld an den Gräueln in Ost-Timor leugnende TNI eher hinter Wiranto scharen.

Der Tatort Ambon

Indonesien scheint an allen Ecken zu brennen. Ostindonesien erfährt jedoch eine Konzentration an Aufruhr und Zerstörung. Die kleine Insel Ambon liegt nördlich von Ost-Timor. Die Molukken sind der nördliche Nachbar Ost-Timors, wenn auch Hunderte von Kilometern entfernt. Ambon, und später die Molukken insgesamt, erlebten den Beginn der bis heute andauernden blutigen Auseinandersetzungen unter ihren christlichen und muslimischen Bevölkerungsteilen kurz vor dem Zeitpunkt der Ankündigung des Referendums über die Unabhängigkeit Ost-Timors am 28.Januar 1998. Wie bekannt ist, wussten TNI-Kreise bereits im Vormonat von Habibies Absichten und begannen mit der verdeckten Aufstellung von heeresgeführten Milizen in Ost-Timor. Die Unruhen auf Ambon wurden zeitgleich von außen geschürt und breiteten sich aufgrund lange währender Spannungen rasch aus. Eine neue Welle der seither nicht aufhörenden Gewalt, die erstmals auch auf die nördlichen Molukken übergriff und Tausende von Opfern forderte, wurde von sogenannten Provokateuren zeitgleich zu den Ankündigungen der Erstellung der Menschenrechtsberichte im November angestachelt. Die Parallelität der Geschehnisse wird in Indonesien von kritischen Beobachtern schon lange nicht mehr als Zufall begriffen.

Das Muster der Unruhen

Scheinbar spontan ausbrechende, bei näherem Hinsehen jedoch lang vorbereitete und geplante Ausbrüche des gesellschaftlichen Zornes in den Formen des massenhaften Amok haben sich zu einer Form und Strategie der innenpolitischen Kriegsführung Indonesiens entwickelt. Waren es anfänglich, und historisch nachweisbar, die Sondereinheiten des Heeres, die sich ab Mitte der achtziger Jahre ziviler rekrutierter Handlangertruppen neu schufen und ihr Tun dem Stand der aktuellen schmutzigen Kriegsführung anpassten, so beherrschen heute viele Machtinteressen dieses blutige Spiel. Das organisierte Chaos ist längst zum Selbstläufer geworden. Dennoch zeigen sich in der Vielfalt des Schreckens die Strukturen der lenkenden Hände.

Das Beispiel Lombok, nach dem 17. Januar ein neuer blutiger, aber mit Ambon eng verbundener Nebenschauplatz, zeigt die drei Ebenen der organisierten Gewalt. Lokal gibt es seit fünfzehn Jahren zwei Organisationen, Bujak und Amphibi, die als Bürgerwehren zur Kriminalitätsverhütung begannen, mit der Polizei Sicherheitsaufgaben übernahmen, dann selbst Schutzgelder eintrieben und sich zu örtlichen Mafia ausbildeten. Sie kontrollieren Ost- und Zentral-Lombok mit seiner muslimischen Bevölkerung, aber nicht den reichen Westen, wo Balinesen und christliche Chinesen Wirtschaft und Tourismus beherrschen.

Am 17. Januar gab es ein öffentliches Gebet der Muslime in der Hauptstadt Lomboks, in der Westzone, für die muslimischen Opfer der Unruhen auf Ambon. Sie gelten hier, wie anderswo im muslimischen Indonesien, als Opfer christlicher Aggression im mehrheitlich christlich bewohnten Ambon. Dass sich auf Ternate, Tidore und Halmahera auch Muslime gegenseitig die Köpfe ein- und abschlugen, zählt hier wenig. Mitgefühl ist angesagt.

Das Gebet endet friedlich, plötzlich fahren organisierte Trupps auf Lkws vor, geben sich aggressiv und fordern die Menge auf, doch bitteschön gleich jetzt gegen die Christen und ihre Symbole vorzugehen, die man doch vor Ort habe: Kirchen und die Geschäfte der chinesischen Händler. Generalstabsmäßig geplant versinkt Lombok, genauer die Westküste, drei Tage lang in Schutt und Asche. Die Weltpresse berichtet, weil die wenigen Touristen die Insel fluchtartig verlassen. Beobachter bemerken aus Ost-Timor bekannte Gesichter im Hintergrund, pensionierte Offiziere der Kopassus-Sondereinheit des Heeres, und Meister der gezielten Chaotisierung. Ihre Truppen sollen den Funkverkehr der Polizei gestört haben, um die Gewalt am Laufen zu halten. Tage später werden Namen eingereister professioneller Unruhestifter genannt, am Tatort gesehen. Die Presse kennt sie als Anhänger des gestürzten Präsidenten Suharto, mit guten Beziehungen zum Militär und bestens finanziert von den ehemaligen Cronies des "Vaters des Aufbaus", wie sich Suharto einst selbst titulieren ließ. Wahid gibt seine Zustimmung zu dieser Interpretation zu erkennen, womit sie an Glaubwürdigkeit gewinnt.

Die Bühne Jakarta

Vor Weihnachten brennt das christliche Drogenrehabilitationszentrum Doulos in Jakarta. Fundamentalistische Splittergruppen, wie gerüchteweise bekannt wird unterstützt von Angehörigen des Strategischen Heereskommandos Kostrad, legten es in Schutt und Asche. Dann der 7. Januar, Ende der muslimischen Fastenzeit. Großdemo vor dem Nationalmonument in Jakarta, öffentliche Aufforderungen zum Jihad, zum heiligen Krieg zur Beendigung der anti-muslimischen Ausschreitungen. Die Weltpresse veröffentlichte Fotos weiß gekleideter Muslim-Fanatiker mit Jihad-Stirnbändern und notiert das Auftreten von Amien Rais, Führer der modernistisch-islamischen PAN-Partei und Vorsitzender des Volkskongresses. Er forderte das Handeln der Regierung und die rasche Absetzung der Regierung, die er im Oktober noch mithalf zu installieren.

Die namenlosen, streitlustigen Weißgekleideten sind Anhänger der Front der Verteidiger des Islam (FPI), einer jungen Splitterorganisation geführt von den Habib, indonesischen Arabern, die sich als direkte Nachkommen des Propheten Muhammad verstehen und religiöse Autorität proklamieren. Sie rekrutieren Jihad-Kämpfer auf Java und geben bekannt, schon Tausende Kampfeswillige in ihren Reihen zu haben. Einige werden auf Ambon aufgegriffen oder auf Schiffen von der Marine abgefangen. Der kundige Zuschauer weiß, dass nur die Unterstützung mächtiger Kreise, also des Militärs, diese eigentlich unbedeutende Gruppe mächtig macht. Sie sind vor allem lautstark. So besetzten sie zu Beginn des Fastenmonats Ramadan die Stadtverwaltung Jakartas, um das Verbot von Glücksspiel und Prostitution zu verlangen. Bedrängten die Menschenrechtskommission, die Untersuchungen gegen Offiziere der TNI einzustellen. Sie zeigen sich überhaupt freundschaftlich mit der Armee verbunden. Die Bande zwischen FPI und TNI sind augenfällig.

Auf den Zug ihrer Forderungen sprangen Politiker der Mittelachse auf, darunter Amien Rais. Eine mögliche Präsidentschaft Megawatis müsse unter allen Umständen verhindert werden, sie, so insistiert er, paktiere mit den Christen, die die Wirtschaft Indonesiens beherrschen. Eine Absetzung Wahids mit parlamentarischen Mitteln sei anzustreben, weil er die Interessen des Islam missachte.

In der Tat zeigt sich Wahid zögerlich und desinteressiert, die humanitäre Katastrophe in den Molukken, in Aceh, dem Riau-Archipel, auf Lombok ernst zu nehmen. Sie scheinen ihm Nebenschauplätze zu sein. Die Unruhen haben lokal geregelt zu werden, verkündet er, und überhaupt sei er sicher, dass sich die Lage bald beruhige. Ein Kurzbesuch auf Ambon und in Aceh brachten keine Besserungen, im Gegenteil blieb die Kette der Gewalt ungebrochen.

Ernsthafter reagiert Wahid auf die ab Dezember umlaufenden Putschgerüchte seitens ungenannter Generäle, hinter denen sich der General Wiranto verbergen sollte. Die Gerüchte erhielten Wahrheitscharakter mit Verlautbarungen aus den Vereinigten Staaten am 15. Januar, die die indonesischen Streitkräfte ausdrücklich vor einem Putsch nach dem Vorbild Pakistans warnten.

Als der Sprecher der Streitkräfte öffentlich die Position Wahids als Oberbefehlshabers der TNI anzweifelt und damit indirekt die politische Position Wirantos zitiert, setzt ihn der Präsident kurzfristig ab. Auch der mächtige Chef des militärischen Nachrichtendienstes BAIS muss, wie es heißt routinemäßig, gehen. Vier Generäle im Kabinett setzt der Präsident in den militärischen Ruhestand und entzieht sie damit ihren Verpflichtungen gegenüber dem Militär.

Seither ist dieser Akt des politischen Schattentheaters in seiner letzten Phase. Wahid geht auf eine zweiwöchige Auslandstournee, und wenn er heim kommt, soll Wiranto von seinem Posten angesetzt werden, falls dieser nicht von selbst seinen Stuhl räume. Dann, so kann der Zuschauer leicht nachvollziehen, müsse das Spiel enden, denn ohne Wiranto keine Unruhen. Aber steht Wiranto wirklich hinter dem organisierten Chaos? Das Schattentheater bedarf dieser Antwort nicht, denn die wahren Strippenzieher sind immer im Hintergrund. Wenn die schädlichen Hintermänner verschwunden, ins Abseits gedrängt sind, reicht das dem Zuschauer aus. Vernichtet und dem Spiel entzogen werden sie nie. Eines Tages erscheinen sie in neuer Gestalt wieder.

Reisediplomatie und Szenenwechsel

Man muss dem Präsidenten starke Nerven zuerkennen. War er es doch, der Tage vor seiner zweiwöchigen Auslandstournee mit Putschgerüchten kokettierte, kund tat, dass er fest davon überzeugt sei, neunzig Prozent der Generäle seiner Armee, der er als Präsident vorsteht, stünden zu ihm. Das löste Nervenzusammenbrüche bei den Kommentatoren aus, die nachzählten, dass es dann zwangsläufig einen Rest von zehn Prozent anders gesinnter Militärführer geben müsse. Dann geht er auch noch auf Reisen, was sein Amtsvorgänger Habibie in seiner Amtszeit nur einmal getan hat, und der stellte damals sicher, abends wieder im Palast zu weilen. Wahid setzt noch einen drauf, deutet an, ja fordert auf javanisch-subtile Weise geradezu auf zum Putschen. "Seht", scheint er zu sagen, "ich bin weg! Putscht, wenn Ihr könnt! Ihr habt zwei Wochen Zeit. Dalli, dalli!" Ein Clown ist er, der Gus Dur, ein Spieler. Er schlüpft in die Rolle des Semar, des unterschätzten, weil verkrüppelten und clowngleichen Gnoms im Wayang, des dennoch hoch intelligenten, aller Schliche mächtigen Beraters der guten Helden. Seine des Schattentheaters kundigen Zuschauer verstehen ihn. Ob es ihm etwas nützt? Ziehen wir die Analogie weiter: Semar ist das Hirn, aber nicht der Chef. Wer ist der Heroe, der hinter der Bühne wartende Satria Piningsit, der Retter auf dem göttlichen Off? Megawati? Eher nein. Sie ist bekannt. Wer dann? Die Spannung steigt. Warten wir es geduldig ab. Zahlen wir doch keinen Eintritt, aber viele Indonesier zahlen den Preis von Leben, Gesundheit, Vertreibung und Elend.

Wird es zum Barata Yuda, zum finalen Gefecht zwischen den Kräften des Guten und des Bösen kommen? Die Schwäche beider Protagonisten steht dem entgegen. Der Präsident kann sich seiner breiten Regierungskoalition nicht sicher sein, zumal er seine im Dezember angekündigte Kabinettsumbildung schweigend dem Vergessen anheim fallen ließ. Seine größte Stütze ist das Ausland, das ihn zwar finanziell in wohlklingenden Erklärungen stützen, jedoch nicht wirklich im Amt beschützen kann. Ein Putschversuch Wirantos oder seiner Kumpane würde andererseits nicht nur das hoch verschuldete Land international isolieren und finanziell ruinieren, sondern auch von weiten Teilen der Bevölkerung, besonders in den von Unruhen erschütterten Regionen, mit offenem Widerstand beantwortet werden. Die Streitkräfte sind schon lange nicht mehr die einstige gefürchtete Disziplinierungsmacht des Autokraten Suhartos, sondern eine isolierte, um ihren Bestand, Identität und Zukunft vor allem mit sich selbst kämpfende, intern völlig zerrissene Streitmacht. Eine Machtergreifung, die nur von den Sondereinheiten des Heeres machbar wäre, würde Marine, Luftwaffe und Polizei gegen das Heer, und sicher auch Teile des Heeres gegeneinander stehen lassen. Ein Putsch wäre nach Tagen, vielleicht wenigen Wochen implodiert. Nein, ein Putsch ist unwahrscheinlich, aber drohen lässt sich mit ihm allemal. Wer kann ihn ernsthaft ausschließen bei einer Armee, die Ost-Timor niedergebrannt und damit eine besondere Qualität verantwortungsloser, destruktiver Stärke demonstriert hat?

Eine parlamentarische Schlacht mit Hilfe der instrumentalisierten modernistisch-islamischen Parteien, besonders der PAN des Amien Rais, ist vorerst ohne Chancen. Noch stehen die Parlamentarier des traditionalistischen Islam, und besonders der größten Fraktion der PDI-P, der säkular-nationalistischen Partei Megawati Sukarnoputris, zusammen. Das mag sich ändern, doch das ist bereits der Vorgriff auf eine künftige Szene. Vorerst ist die viel beschworene Rivalität zwischen Gus Dur und Wiranto ein ernster und blutiger, aber bei weitem noch nicht der finale Akt in diesem Schattentheater.

Eine neue Szene steht an. Sie wird einen neuen, heiklen wie faulen Kompromiss sehen, der beiden Seiten ihr Gesicht wahren lässt. Wiranto mag freiwillig zurücktreten, wird sich aber diesen Akt seiner Großmut mit strafrechtlicher Immunität honorieren lassen, hinter die Bühne treten und dort weiter aktiv sein. Seine Rolle auf der Bühne werden neue Protagonisten des Heeres nahtlos übernehmen. Der Präsident hat diesen Akt bereits eingeläutet. Außenminister Alwi Shihab bearbeitet seit Wochen des Ausland und die UN, auf eine Anklage der wegen Ost-Timor belasteten Generäle im internationalen Rahmen zu verzichten. Mit nicht geringen Erfolgsaussichten, wie aus internationalen Meldungen zu entnehmen ist. Wahid hat mehrfach eine Begnadigung Wirantos angekündigt, falls dieser in einem Gerichtsverfahren für schuldig erklärt würde. Der Schritt, auf ein solch unsinniges Verfahren dann doch gleich zu verzichten, ist klein. Zumal wenn das Ausland ihn abnickt. Die nächste Szene wird die Story vorantreiben, aber noch lange nicht einem die Zuschauer, und vor allem nicht den Opfern, zufriedenstellenden Ende entgegen bringen. Er stehen noch viele Szenen auf dem Spielplan dieses zynischen Stücks Schattentheater der politischen Realität Indonesiens.

Am 14. Februar versetzt Gus Dur Minister Wiranto in den einstweiligen Ruhestand.
 
 

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