Indonesien-Information Nr. 1/2 2000 (Politik)

Amnestie für Suharto

Alex Flor

Nur 10 Tage vor der Wahl eines neuen Präsidenten ließ die alte Regierung Habibie verkünden, das Ermittlungsverfahren gegen ExPräsident Suharto wegen Verdachts auf Korruption und Amtsmissbrauch werde wegen Mangels an Beweisen eingestellt /AFP, 11.10.99/. Auch ein Verfahren gegen Suhartos jüngsten Sohn Tommy Mandala Putra endete mit Freispruch. Die Söhne und Töchter Suhartos zählen zusammen mit einigen engen Freunden des ExDiktators nach wie vor zu den vermögendsten und damit einflussreichsten Köpfen des an Malaria erkrankten Tigers Indonesien. Gleichwohl führen die von ihnen kontrollierten Firmen die Liste der am höchsten verschuldeten Unternehmen des Landes an. Nach Berichten des Indonesian Business Data Centre (PDBI) summieren sich die Schulden von Firmen des SuhartoClans bei staatlichen Banken auf 12,2 Billionen Rp. (ca. 2,84 Mrd. DM) /Straits Times, 22.11.99/. Lediglich die Humpuss Group, einstiges Wirtschaftsimperium von SuhartoSohn Tommy, die alleine mit 5,5 Billionen Rp. in der Kreide steht, musste tatsächlich Federn lassen /Business Times, 18.5.00/. Im europäischen Kontext gehörte der Zwangsverkauf des zu Humpuss gehörenden Sportwagenherstellers Lamborghini an VW zu den bekanntesten Fällen.

Nur eine Woche nachdem Abdurrahman Wahid zum Nachfolger Habibies gewählt worden war, ließ die neue Regierung verkünden, das Verfahren gegen Suharto werde wieder aufgenommen. Gus Dur, wie Abdurrahman Wahid auch genannt wird, erklärte aber auch, er bevorzuge eine Vergleichslösung gegenüber einem jahrelangen ergebnislosen Prozess. Die Entscheidung über die Vorgehensweise liege allerdings alleine bei dem zum neuen Generalstaatsanwalt berufenen Marzuki Darusman /The New York Times, 28.10.99/. Marzuki ist Mitglied der ehemaligen Regierungspartei Golkar, in der er sich über Jahre hinweg als interner Gegner von Suharto einen Namen machte. Seine kritisch-loyale Haltung qualifizierte ihn zunächst zum Vorsitzenden der von Suharto einberufenen nationalen Menschenrechtskommission Komnas HAM sowie später zu einer Führungsposition in der gewendeten ReformasiGolkar.

Wenig später meinte Gus Dur, wenn Suharto schuldig gesprochen werde, würde er amnestiert werden. Seine Kinder und Freunde könnten allerdings nicht mit der selben Milde rechnen, betonte er /New York Times, 12.11.99/. Teten Masduki von der Organisation Indonesian Corruption Watch erklärte nach einem Gespräch mit dem Präsidenten, Gus Durs Vorschlag lehne sich an das Vorbild des Prozesses gegen die früheren Präsidenten SüdKoreas, Chun Do Hwan und Roh TaeWoo, an. Wichtig sei aber, dass es in Korea zunächst einen Prozess gegeben habe, in dem die Vergehen untersucht und die Angeklagten schuldig gesprochen wurden. Erst danach seien die ehemaligen Präsidenten amnestiert worden. "Ich denke, es ist eine Frage der Rechtsstaatlichkeit, dass unsere Nation in Zukunft weiß, dass frühere Regierungen Fehler gemacht haben, und lernt, die selben Fehler nicht zu wiederholen," meinte Teten Masduki. /Jakarta Post, 2.11.99/

Gus Dur befindet sich in der Zwickmühle, einerseits den Wählern einen Neuanfang glaubhaft machen zu müssen worunter viele zu Recht die schonungslose Aufarbeitung der SuhartoZeit verstehen und andererseits sehr gut um die Grenzen zu wissen, die ihm von den immer noch einflussreichen Vertretern des alten Systems gesetzt wurden. Die abwägende, differenzierende, aber auch kompromissbereite und manchmal widersprüchliche Einstellung, die Gus Dur zu vielen Problemen einnimmt, ist Ausdruck dieses Dilemmas. Er weiß, dass man von ihm erwartet, mit Suharto "abzurechnen", er weiß aber auch, dass ihm wesentliche Teile des Apparates, auf dessen Unterstützung er angewiesen ist, niemals verzeihen würden, ihren früheren Übervater und Mentor ernsthaft zur Rechenschaft zu ziehen. In der ihm eigenen Art nimmt Gus Dur seinen Humor zu Hilfe, um sensible Wahrheiten auf den Tisch zu bringen: "Für (ehemalige) Präsidenten und Vizepräsidenten werden wir um Amnestie ersuchen." Auf die Frage, wieso er auch Vizepräsidenten nenne, antwortete er unter Gelächter: "Damit kann auch Habibie gemeint sein." /Jakarta Post, 2.11.99/

Wichtiger als Suharto hinter Gitter zu bringen sei es, den von ihm veruntreuten Geldern auf die Spur zu kommen und sie nach Möglichkeit zurück zu erhalten. Wahid glaubt, dass Suharto tatsächlich erhebliche Mengen Geldes im Ausland besitzt. "Er ist sogar reicher als der Staat," meinte er vor Vertretern der U.S.Indonesia Society und des U.S.Asean Business Council. Aber Suharto sei so clever gewesen, sein Geld nicht auf seinen eigenen Namen anzulegen, weshalb es schwierig werden könnte, ihm Korruption nachzuweisen. "Das Problem ist, dass er das ganze Geld auf die Namen seiner Freunde und seiner Familie angelegt hat nicht auf seinen eigenen," sagte Wahid. /New York Times, 12.11.99/

Gus Dur schätzt Suhartos Gesamtvermögen auf 45 Mrd. USDollar und hofft, Suharto zumindest zur Rückzahlung von 25 Mrd. Dollar bewegen zu können /Jakarta Post, 21.6.00/ . Gegenüber diesen Zahlen bleibt die Schätzung des amerikanischen TIME Magazine, das Suhartos Reichtum auf 15 Mrd. USDollar bezifferte, eine konservative Schätzung. Suharto hatte TIME in Jakarta auf Zahlung von 280 Mio. und Schadensersatz in Höhe von 1,89 Mrd. Rp. verklagt. Das Gericht entschied aber eindeutig zu Gunsten von TIME, dem kein Verstoß gegen die Regeln professioneller journalistischer Arbeit nachgewiesen werden konnte. /SiaR, 6.6.00/

Der Wiederaufnahme des Verfahrens im Februar /Reuters, 10.2.00/ folgten nach Gerüchten, Suharto wolle sich eventuell in die USA absetzen, ein Ausreiseverbot /Jakarta Post, 13.4.00/ und später gar die Verhängung eines Hausarrests /AP, 29.5.00/. Auch ein Teil des verfügbaren Vermögens der Familie wurde beschlagnahmt und einige Konten der Präsidententochter Tutut gesperrt /AFP, 26.4.00/.

Die Anklage betrifft die Veruntreuung von Geldern aus der Kasse von sieben Wohlfahrtsstiftungen, die von Suharto kontrolliert worden waren. Obgleich die Tatsachen unumstritten sind, ist es jedoch nicht ganz einfach nachzuweisen, dass Suharto unrechtmäßig gehandelt hat, da er als Präsident die entsprechenden gesetzlichen Regelungen gleich mitgeliefert hatte. Ein Sprecher der zuständigen Parlamentskommission, Sukowaluyo Mintohardjo, schlug daher vor, die Ermittlungen auf den Vorwurf des Amtsmissbrauches auszuweiten /dpa, 3.3.00/. Chefankläger Marzuki Darusman erklärte einige Wochen später, er wolle sich künftig tatsächlich mehr auf den Aspekt des Amtsmissbrauches konzentrieren. Darusman erläuterte, Beamte seien gezwungen worden, einen Teil ihres Einkommens an die Wohlfartsstiftungen zu entrichten. "Es wurden Präsidialdekrete zu Gunsten der Stiftungen erlassen, deren Vorstand er (Suharto) selbst war", sagte Marzuki Darusman /AFP, 13.5.00/. Bislang blieb es aber bei der Anklage wegen Veruntreuung einer relativ geringen Summe von insgesamt 583 Mio. USDollar /Jakarta Post, 28.7.00/. Ob Korruption oder Korruption und Amtsmissbrauch: bedeutsamer als diese beiden Varianten wäre ein Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen. Immerhin hat sich Suharto seit seiner Machtübernahme 1965/66 direkt oder indirekt des hunderttausendfachen Mordes an politischen Gegnern und unbeteiligten Zivilpersonen in Indonesien und Ost-Timor schuldig gemacht. Doch kaum eine politische Kraft in Indonesien scheint den Mut zu haben, dieses Thema auf den Tisch zu bringen.

Während Studenten fast täglich vor Suhartos Haus demonstrierten, um ein härteres Vorgehen gegen ihn zu fordern, zog sein Verteidigungsteam alle Register, um einen Prozess zu verhindern. Die Verteidiger schreckten auch vor den absurdesten Schritten nicht zurück: Gegen die Verhängung des Hausarrestes für ihren Mandanten legten sie Beschwerde bei der UN-Menschenrechtskommission ein. Der Hausarrest und wöchentliche Verhöre seien ein Verstoß gegen die Menschenrechte Suhartos /AFP, 19.6.00/.

Zuletzt konzentrierte sich die Strategie der Verteidigung auf das klassische Phänomen, dass alle bis zum letzten Tag ihrer Amtszeit rüstigen Diktatoren kurze Zeit später schwach und krank sind und jeder Prozesstag wegen der damit verbundenen Aufregung unmittelbar zu ihrem Tode führen könnte. Das Gericht zeigte Entgegenkommen und verlegte die Verhandlung in eine extra hergerichteten Saal im Landwirtschaftsministerium, da hier für den Notfall entsprechende Landeplätze für Rettungshubschrauber vorhanden waren. Dennoch blieb der Stuhl des Angeklagten bei Eröffnung des Prozesses Ende August leer. Unter lauten Buh-Rufen des Publikums verlas Verteidiger Juan Felix Tampubolon eine Erklärung, dass sein Mandant aufgrund des Gutachtens eines Teams von 23 Ärzten nicht verhandlungsfähig sei. Suharto sei aufgrund der Folgen eines leichten Schlaganfalles geistig nicht in der Lage, dem Prozess zu folgen /AP, 31.8.00/. Der Prozess wurde einstweilen auf den 14.September verschoben.

Unerwartet meldete sich inzwischen Dr. Teguh A.S. Ranakusuma, Mitglied des 23köpfigen Ärzteteams zu Wort. Er erklärte zur Überraschung der Zuhörer auf einem wissenschaftlichen Symposium am 9. September, "in den medizinischen Gutachten unseres Teams wurde niemals festgestellt, dass der frühere Präsident aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage wäre, einen Prozess durchzustehen." Chefverteidiger Tampubulon zeigte sich schockiert: "Unglaublich ... er hat uns immer unterstützt. Dieser Mann (Teguh) gibt sonst kaum jemals Interviews. Wie kann er so etwas in einem Interview sagen?" /Jakarta Post, 11.9.00/ <> af
 

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