Zeitschrift SUARA

Bakrie Sumatera Plantations

Suara Nr. 1/09, August 2009

von Marianne Klute

Fallstudie: Bakrie und der Überfall auf Sei Kopas

Plötzlich kommen die Bulldozer wieder. Sie donnern auf die Felder und reißen alles mit sich, was im Wege steht. Die Bauern auf den Feldern erstarren. Ihre Reiseernte ist zerstört, die jungen Obstbäume herausgerissen. Aber sie sind machtlos gegenüber der Maschinerie des Unternehmens Bakrie Sumatera Plantations und gegenüber den hundert Leuten des Sicherheitsdienstes der Firma. Polizisten der Mobilen Brigaden sind darunter, ebenso wie angeheuerte kriminelle Schläger.

Ein Bauer schreit: „Das ist unser Land! Wir sterben für unser Land!“ Die Sicherheitsleute brüllen zurück: „Nehmt sie fest! Nehmt sie fest!“ Syahmana Damanik, ein Bauer aus dem Dorf Sei Kopas, rennt weg. Polizisten brüllen: „Bringt ihn um! Bleib stehen, sonst bist du tot!“ Schüsse fallen. Damanik erleidet schwere Schussverletzungen. Die Polizei zerrt ihn in ein Auto. Dort wird er weiter geprügelt und auf den Kopf geschlagen. Im Auto schießt ein Polizist ein zweites Mal auf ihn.

Auf dem Höhepunkt der Erregung retten sich die Kinder des Dorfes in eine einfache Feldhütte. Ihre Väter werden draußen von Polizisten festgehalten. Sie schlagen die Väter mit Schlagstöcken und Gewehren gezielt auf den Kopf. Schläger prügeln wahllos auf die Mütter ein. Viele Verletzte sind zu beklagen.

Schließlich reißen die Bulldozer die Feldhütten nieder. Sechs Bauern werden verhaftet. Bäuerin Rumena Manurung bleibt verschwunden. Die ganze Nacht sucht das Dorf nach ihr. Schließlich findet man sie, mit Handschellen gefesselt und ohnmächtig in einem drei Meter tiefen Brunnenloch, 500 Meter von dem Ort des Geschehens entfernt. Die Bauern von Sei Kopas besitzen die Handschellen noch immer. Sie tragen die polizeiliche Registriernummer 90404.

Hintergrund des Falles Sei Kopas

Der brutale Überfall auf die Bevölkerung des Dorfes Sei Kopas im März 2007 spiegelt wider, auf welche Weise Palmölkonzerne in Indonesien sich Land zu verschaffen wissen. Er ist kein Einzelfall; er ragt aus den Tausenden von Landrechtskonflikten um Ölpalmplantagen deswegen heraus, weil Filmteams indonesischer Fernsehsender vor Ort waren und gefilmt haben, wie die Bulldozer des Plantagenunternehmens Bakrie Sumatera Plantations (BSP) Felder vernichteten und Hütten niederrissen und dabei von Polizisten der Mobilen Brigaden und kriminellen Schlägern „beschützt“ wurden.

Der Konfikt von Bakrie Sumatera Plantations mit dem Dorf Sei Kopas (Kreis Kisaran, Distrikt Asahan, Provinz Nordsumatra) hat eine lange Vorgeschichte. Tatsächlich ging der erste Landraub an der Bevölkerung von Sei Kopas der Gründung von BSP voraus; erst nach (für das Plantagenunternehmen) erfolgreicher Landnahme wurde BSP 1983 gegründet. Betrug, Einschüchterung und Gewalt standen also an der Wiege des heute drittgrößten Palmölproduzenten Indonesiens.

SeiKopas_Google Earth

Monocultures as far as the eye can see. View from 10 km above Kisaran Department in North Sumatra.

Google Earth, viewed 10th June 2009

Fliegt man heute von Jakarta kommend Richtung Millionenstadt Medan, so sieht man kilometerweit eintönige Monokulturen. Irgendwo dort unten liegt das Dorf Sei Kopas, eingekreist von Ölpalmplantagen.

Vor fünfzig Jahren war hier noch Regenwald. Arme Bauernfamilien rodeten ein Stück Wald, legten Reisfelder an und gründeten ein Dorf. 1980 erfolgte die Grundbucheintragung, womit die Dorfbewohner rechtmäßige Landbesitzer wurden. Nur drei Jahre später tauchte plötzlich eine Firma auf. Ohne vorherige Konsultation und ohne Zustimmung der Bevölkerung bepflanzte das Unternehmen mehrere Hundert Hektar mit Ölpalmen. Dieses Unternehmen war der Grundstock der Bakrie Sumatera Plantations.

Während der Suharto-Diktatur wagte die Bevölkerung nicht, sich zu wehren und ihr Land zurückzufordern. Das änderte sich mit dem Rücktritt Suhartos 1998. Jetzt erst wurde bekannt, dass BSP überhaupt keine Genehmigung zum Betrieb einer Plantage hat. Der Gouverneur von Nordsumatra verweigerte die nachträgliche Ausstellung der Genehmigung. Doch 1999 war die Lizenz plötzlich vorhanden, als Aburizal Bakrie die Führung der Familien-Holding Bakrie & Brothers übernahm. Ein von den Bauern von Sei Kopas angestrengtes Gerichtverfahren ging zu ihrem Nachteil aus. Sie hatten das Land endgültig verloren.

In den kommenden Jahren expandiert das Unternehmen nach dem gleichen Muster wie bei der ersten Landnahme. Seit Jahren lässt BSP die Mobilen Brigaden der Polizei für sich arbeiten. Die Familien werden bedroht, wenn sie versuchen, auf ihren Reisfeldern zu arbeiten, schweres Gerät zerstört die Felder. Die Menschen reagieren mit Landbesetzungen und Demonstrationen. BSP antwortet mit Einschüchterungen, Terror und Gewalt. So überfällt im Februar 2005 der Sicherheitsdienst von BSP zusammen mit der Polizei des Distrikts Asahan das Dorf. Hütten werden niedergerissen, sieben Bauern verletzt. Zahlreiche Vermittlungsversuche von Lokalpolitikern scheitern. Der Appell des Parlaments, den Terror gegen die Bevölkerung einzustellen, bleibt wirkungslos. Auch eine Inspektion der Nationalen Polizei und der Nationalen Menschenrechtskommission bleibt ohne Folgen. Aburizal Bakrie ist inzwischen Wirtschaftsminister.

Am 17. Februar 2006 kommen die Bulldozer wieder, mit ihnen mindestens 50 Sicherheitskräfte von BSP, darunter Polizei von den Mobilen Brigaden, Militär, Sicherheitsdienst und gedungene Schläger mit scharfen Waffen. Dutzende Bäuerinnen müssen zusehen, wie ihre Reisfelder zerstört werden. Sieben Frauen treten den Bulldozern entgegen, da schlagen die Bewaffneten zu. Die Frauen wehren sich, indem sie ihre Kleider öffnen, um die Sicherheitsleute zu beschämen. Das bleibt ohne Wirkung, die Bewaffneten verhöhnen sie nur und jagen die Frauen. Diese fliehen auf Bäume, doch werden sie brutal heruntergezerrt. Eine der Frauen, Herliana Marbun, erstattet Anzeige. Bis heute bleiben die Angreifer straffrei.

Mit Beginn des „Biodieselbooms“ wird die Jagd nach Land brutaler. Aburizal Bakrie ist heute Wohlfahrtsminister und sieht zu, dass sein Plantagenkonzern mit Gewalt Land gewinnt, auf Kosten einfacher Bauernfamilien. Der Überfall im März 2007 war der bisherige Höhepunkt.

Bakrie Sumatera Plantations

PT Bakrie Sumatera Plantations (BSP) ist eine Subgruppe einer der größten Holdings Indonesiens, der an der Börse notierten Bakrie & Brothers im Besitz der Familie des amtierenden Koordinierenden Ministers für Soziale Wohlfahrt, Aburizal Bakrie. Bakrie & Brothers gehört zu den größten Holdings in den Bereichen Kohleförderung, Telekommunikation, Immobilien und Agroindustrie. Der Agrarsektor wiederum umfasst eine Anzahl von Unternehmen.

Hauptaktivitäten von Bakrie Sumatera Plantations sind Plantagen, Weiterverarbeitung und Handel von Landwirtschaftsprodukten, vor allem auf der Basis von Kautschuk und Rohpalmöl. BSP verfügt über eigene Plantagen in den Provinzen Jambi, Nord- und Westsumatra, alle drei auf der Insel Sumatra gelegen. Seit 2008 expandiert BSP auch nach Kalimantan und Papua. Drei Raffinerien auf Java und Sumatra verarbeiten das Rohpalmöl weiter zu RBD Palmöl (Refined, Bleached and Deodorized), Fettsäuren und Stearin. Weitere Anlagen sind in Bau bzw. in Planung. Wichtigster Handelspartner in Deutschland ist Centrotrade Deutschland GmbH.

BSP, 1983 gegründet, war zur Asienkrise 1997 bereits die zehntgrößte Agroindustriegruppe Indonesiens. Während der Asienkrise 1997 geriet BSP in Schwierigkeiten. Der Umschuldungsprozess von Bakrie & Brothers unter Beteiligung ausländischer Stakeholder konnte 2001 erfolgreich abgeschlossen werden (siehe S. 21: Die Bakrie- Gruppe). Danach begann der rasante Aufstieg von BSP. 2007 war ein fantastisches Jahr für indonesische Palmölproduzenten. Der globale Bedarf war hoch, die Preise verdoppelten sich im Vergleich zum Jahr davor und erreichten Rekordhöhen. Die indonesische Regierung hat den Weg dazu mit rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen geebnet, mit dem Ziel, das weltweit größte Palmöl produzierende Land zu werden.

Bakrie Sumatera Plantations sprang auf den Zug auf, mit dem Anspruch, selbst einer der führenden Palmölproduzenten Indonesiens zu werden. Als Reaktion auf den europäischen Agrokraftstoffboom werden ehrgeizige Expansionspläne zügig umgesetzt. In einem ersten Schritt erwarb BSP fünf neue Ölpalmplantagen. Mit der Erweiterung der Plantagenfläche konnte BSP innerhalb eines Jahres die Produktion von Palmöl fast verdoppeln, und zwar von 180.000 Tonnen (2007) auf 340.000 Tonnen (2008). Verfügte BSP 2007 noch über 53.000 Hektar Gesamtfläche bestehender Ölpalm- und Kautschukplantagen in Jambi, Nord- und West-Sumatra, so waren es 2008 bereits 67.745 Hektar Ölpalmplantagen (ohne Kautschuk). Damit war BSP 2008 die fünftgrößte Agroindustriegruppe Indonesiens.

Zweitens setzt BSP auch auf die Produktion von Agrokraftstoffen im Land selbst, statt Palmöl nur zu exportieren. Bakrie Rekin Bio-Energy, ein neues Joint Venture Unternehmen aus BSP mit 70% Anteilen und der staatlichen Rekayasa Industri mit 30% Anteilen, baut eine Agrokraftstoffanlage („Biodieselfabrik“) auf der Insel Batam. Dies ist die zweite einer ganzen Reihe auf den europäischen Markt zugeschnittener geplanter Agrokraftstofffabriken, nach der bereits fertiggestellten Anlage der Wilmar Holdings in Dumai, Provinz Riau.

Drittens verfolgt Bakrie Sumatera Plantations aggressive Expansionspläne. In den kommenden drei Jahren soll die Plantagenfläche verdreifacht werden. Nach Aussage von M Iqbal Zainuddin, BSP’s Business Development Direktor, setzt sich BSP für 2011 das Ziel von 200.000 Hektar, wobei pro Jahr 50.000 Hektar dazukommen sollen (M Iqbal Zainuddin beim World Palm Oil Summit in Jakarta, Mai 2008). Zielgebiete sind die Provinz Riau auf Sumatra, Kalimantan (indonesischer Teil der Insel Borneo) und Papua (indonesischer Teil der Insel Neuguinea), genau die Gebiete mit den letzten großen Regen- und Torfwäldern Indonesiens.

Motor der aggressiven Planungen war 2007 der explodierende globale Bedarf und der Höhenflug der Palmölpreise. Die seit Mitte 2008 fallenden Preise dämpfen Bakries Appetit jedoch nicht, im Gegenteil haben sie den gleichen Effekt auf die Wachstumspolitik der Gruppe. Sie zwingen Bakrie zur Expansion, um hohe Anleihen zu bedienen bzw. um den Weg für Investitionen in den anderen Bakrie-Sparten Kohle, Kommunikation und Kautschuk vorzubereiten. Die Verdoppelung der Produktion im Jahr 2008 hat den Preisverfall mehr als ausgeglichen; im ersten Vierteljahr 2008 verzeichnete Bakrie Sumatera Plantations im Vergleich zu den ersten drei Monaten 2007 einen 794-prozentigen Anstieg des Nettogewinns (18,5 Mrd. Rupiah bzw. US$ 1,99 Mio.) Ähnlich stellt sich BSP 2009 dar, trotz heftiger Schwankungen.

Es kann nicht überraschen, dass die hohe globale Nachfrage nach Palmöl dazu führt, dass neue Gebiete erschlossen werden müssen, und zwar in Regenwald. In der Periode 2008-2009 hat sich BSP Landnutzungsrechte in so genanntem Konversionswald (der nach indonesischem Recht in Agrarflächen „konvertiert” werden kann und somit für den Kahlschlag freigegeben ist), zu verschaffen gewusst, vor allem in Kalimantan und Papua. BSP verfügt damit heute über Landnutzungsrechte über mehr als 100.000 Hektar, womit der drittgrößte Agrarkonzern Indonesiens 2009 Bakrie Sumatera Plantations heißt.

Die gesamte Expansion mit einem Volumen von 260 Millionen US$ wird finanziert durch Bakrie’s eigenes Subunternehmen Bakrie Sentosa Persada. Nach Aussage von Ambono Janurianto, Direktor von BSP, kommen dabei 30 Mio. US$ von Bakrie Sentosa Persada, weitere 80 Mio. US$ von einem internationalen Konsortium ausländischer Investoren mittels der neu geschaffenen Indo Green International, in der Bakrie Sentosa Persada 31% hält. Der Rest wird durch Anleihen bei indonesischen Banken finanziert.

Im Februar 2009 gab BSP bekannt, dass der Erwerb von 200.000 Hektar in Liberia für Ölpalmplantagen vorbereitet wird, einem seit zwei Jahrzehnten von Bürgerkrieg zerrissenen Land. Liberia steht unter Oberhoheit der UN. Angeblich soll die UN den Investitionsprozess fördern. (http://us.en.vivanews.com/news/read/26990-bakrie_ sumatera_aims_liberia_for_palm_oil)

Auf die europäische Entwicklung hin zu nachhaltigem Palmöl reagierend hat Bakrie die Zertifizierung von fünf Altplantagen (Serbangan, Sei Baleh, Gurach Batu, Tanah Raja und Kwala Piasa innerhalb der BSP Kisaran Unit) in der Provinz Nordsumatra beantragt. Die Zertifizierung erstreckt sich auf eine vorerst relativ kleine Fläche von 6.880 Hektar und auf eine Palmölmühle mit einer Jahreskapazität von 243.000 Tonnen. Nach Abschluss des Auditprozesses, der für Ende Mai angesagt war, wird Bakrie in der Lage sein, Europas Nachfrage nach Labeln zu befriedigen und RSPO-zertifiziertes Palmöl zu liefern. (Zum Zertifizierungs-Assessment siehe auch: Public Notification on upcoming RSPO Certification Assessment of PT Bakrie Sumatera Plantation Kisaran Unit, North Sumatera, Indonesia in English, http://www.rspo.org/../resource_centre/PT%20 Bakhrie%20Sumatera%20PA-English.pdf )

Resümee:

Bakrie Sumatera Plantations geht seit seiner Gründung 1983 einher mit Vertreibungen und Gewalt. Bereits für die erste Plantage haben Menschen ihr Land verloren, womit ihre Existenz als Kleinbauern vernichtet wurde. Auch Plantagenarbeiter haben kein besseres Los; es ist bekannt, dass Tagelöhner auf den Plantagen unter dem Mindestlohn bleiben und teilweise weniger als einen Dollar pro Tag verdienen. In Kürze wird zertifiziertes Palmöl von BSP Plantagen mit ungelösten Menschenrechtsverletzungen und Jahrzehnte langen Landrechtskonflikten geliefert werden. In Papua und Kalimantan hat der Kahlschlag für Neuplantagen bereits begonnen. Die Landnahme, gegen die die lokale Bevölkerung kaum Einspruchmöglichkeiten hat, kann nur als „Landraub” bezeichnet werden, welcher die Existenz vor allem der Indigenen und Subsistenzbauern vernichtet. Schon jetzt kristallieren sich massive neue Landrechtskonflikte heraus, und es ist zu befürchten, dass diese wie gehabt unter Einsatz staatlicher Sicherheitskräfte „gelöst“ werden.


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